30 Jahre Demokratische Initiative Gelsenkirchen
30 Jahre Demokratische Initiative Gelsenkirchen
Am Sonntag wurde in der Schauburg auf die vielfältigen Aktionen von 1992 bis heute zurückgeblickt.
Vor genau 30 Jahren haben sich am 4. Dezember 1992 engagierte Menschen in Gelsenkirchen dazu entschlossen, ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung und Gewalt zu setzen – das war die Geburtsstunde der „Demokratischen Initiative“, der heute 29 Verbände, Initiativen, Vereine, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften und Einrichtungen als aktive Mitglieder angehören. Dabei war der Anlass für den Zusammenschluss der demokratischen Kräfte in Gelsenkirchen ein sehr trauriger. Die frühen 1990er Jahre waren geprägt durch zahlreiche rassistische Übergriffe und Gewalttaten. Allein zwischen Januar und November 1992 gab es etwa 1.900 Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund, darunter 606 Brandanschläge und 15 Sprengstoffattentate. Vielen Bürgerinnen und Bürgern sind auch heute noch die Anschläge in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Mölln in Erinnerung, und auch die insgesamt 13 Todesopfer dieser Gewaltwelle.
Der Einsatz für Menschenrechte
Die erschreckenden Entwicklungen erforderten eine demokratische Gegenposition – und so gründete sich auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Kurt Bartlewski und des Oberstadtdirektors Dr. Klaus Bussfeld am 4. Dezember 1992 die Demokratische Initiative als Zusammenschluss der demokratischen Kräfte in Gelsenkirchen. Seither ist sie ein wichtiger Pfeiler im Einsatz für Menschenrechte und Demokratie in unserer Stadt. Bereits beim ersten Treffen traf man die Vereinbarung, künftig gemeinsam an jedem 9. November der Novemberpogrome von 1938 zu gedenken und die Gelsenkirchenerinnen und Gelsenkirchener zu einer breiten Beteiligung aufzurufen. Dies wird seit 30 Jahren konsequent umgesetzt. Seit 2020 ist die Demokratische Initiative zudem maßgeblich an der Organisation und Ausgestaltung der „Internationalen Wochen gegen Rassismus″ in Gelsenkirchen beteiligt, die jedes Jahr im März stattfinden. Darüber hinaus wurden die Mitgliedsorganisationen von Beginn an aufgefordert, selbst Aktionen gegen rechte Gewalt durchzuführen.
Die Initiative wächst weiter
Zu den Mitakteurinnen und -akteuren der ersten Stunde sind über die Jahre neue Organisationen und Institutionen hinzugekommen, sodass die Demokratische Initiative in Gelsenkirchen heute 29 Mitgliedsorganisationen zählt. Der FC Schalke 04 ist seit August 2020 dabei. „Das jüngste Mitglied ist der ‚Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge e. V.‘“, erklärt Dr. Daniel Schmidt. Der Leiter des Instituts für Stadtgeschichte ist Teil der Geschäftsführung der Demokratischen Initiative. „Wir versammeln ein breites Spektrum von Akteurinnen und Akteuren aus dieser Stadt. Hinter der DI stehen viele tausend Menschen mit gemeinsamen Werten und demokratischen Überzeugungen“, so Schmidt, der hinzufügt: „Demokratie ist eine Daueraufgabe. Die Ziele, die sich die Demokratische Initiative vor 30 Jahren gesetzt hat, gelten auch heute noch.“ Die antisemitischen Ausschreitungen vor der Neuen Synagoge Gelsenkirchen im Jahr 2021 machten erneut deutlich, wie wichtig ein starker demokratischer Gegenpol auch heute noch ist.
Gegendemonstrationen und Info-Material
Auf der Internetseite www.di-gelsenkirchen.de sind die zahlreichen Aktionen der Initiative chronologisch aufgeführt. Dazu zählt etwa die legendäre Gegenveranstaltung zu einer NPD-Demonstration am 10. Juni 2006 vor dem Musiktheater mit Bühnenprogramm. Die Anschläge in Paris vom 7. Januar 2015 sowie die PEGIDA-Bewegung aufgreifend, erlangte das ’alte‘ DI-Symbol ’Menschenkette’ neue Aktualität und wurde unter anderem als Großtransparent für LKW von GELSENDIENSTE sowie als Buttons, Aufkleber und Plakate aufgelegt.
Am Sonntag, 4. Dezember, schaute die Demokratische Initiative in der Schauburg an der Horster Straße gemeinsam auf die Ereignisse und Initiativen der vergangenen 30 Jahre zurück. Dabei wurde auch an Michael Hannrath-Hanasek gedacht, der sich über 20 Jahre lang für die Initiative, unter anderem in der Geschäftsführung, engagierte und im Januar 2022 verstorben ist. In Erinnerung an die Startphase der Demokratischen Initiative wurde im Kinosaal zunächst eine Dokumentation über die Vorfälle in Rostock-Lichtenhagen im Jahr 1992 gezeigt. Ein Zeitzeugengespräch mit Dr. Klaus Bussfeld schloss sich daran an.
Gemeinsam eine bessere Zukunft gestalten
Oberbürgermeisterin Karin Welge als Schirmherrin der Demokratischen Initiative unterstreicht: „Die Erinnerung an die vergangenen Jahre ist wichtig. Zugleich wollen und müssen wir nach vorne schauen, denn es ist ja so, weiterhin: Es liegt an uns, aus der Vergangenheit zu lernen und eine bessere Zukunft zu gestalten. Wir tun das, indem wir zum einen Gelsenkirchener Traditionen wie den 9. November bewahren, uns zum anderen aber auch neuen Formaten der politischen Bildung – wie etwa den Internationalen Wochen gegen Rassismus – zuwenden. Das ist eine Herausforderung, in mehrfacher Hinsicht. Weil wir in einer aufwühlenden Zeit leben, und weil wir in einer Stadt leben, deren Vielfalt kollektives gesellschaftspolitisches Handeln nicht unbedingt leichter macht. Diesem Thema werden wir in den bevorstehenden Jahren noch viele Ideen und viel Arbeit widmen.“ Ausdrücklich bedankt sich die Oberbürgermeisterin bei den engagierten Bürgerinnen und Bürgern für den unermüdlichen Einsatz für eine demokratische Stadt.