Emscherrenaturierung: Überreste aus der NS-Zeit vermutet

Die Emschergenossenschaft bereitet im Linnenbrinksfeld die naturnahe Umgestaltung der Emscher vor und muss einen Verdacht archäologisch überprüfen.
Emscherrenaturierung: Überreste aus der NS-Zeit vermutet

Prof. Dr. Uli Paetzel –Foto: © Klaus Baumers / EGLV

Die Emschergenossenschaft bereitet im Linnenbrinksfeld die naturnahe Umgestaltung der Emscher vor. Dafür finden auf dem geplanten Baufeld am Linnenbrinksweg in Gelsenkirchen ab Montag, 23. Oktober, Überprüfungen auf vermutete Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg statt. Es ist vorgesehen, das Gewässer zwischen Linnenbrinksweg und der Emscher seitlich aufzuweiten. Aufgrund der insgesamt 18 Bombenverdachtspunkte wird das Areal abgesperrt, das Betreten wird für Unbefugte verboten sein.

Eine besondere Sensibilität erfahren die Arbeiten, nach Auskunft eines Sprechers des Wasserverbandes, zudem durch den Umstand, dass sich an der Stelle der geplanten Emscher-Renaturierung ein Massengrab jüdischer Zwangsarbeiterinnen befunden haben kann. Nach einem von der Emschergenossenschaft in Auftrag gegebenen Gutachten kann nicht ausgeschlossen werden, dass sich trotz einer wahrscheinlichen Umbettung immer noch sterbliche Überreste von Zwangsarbeiterinnen im Linnenbrinksfeld befinden könnten. Die Arbeiten werden daher eng von Archäologen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) und der Stadt Gelsenkirchen begleitet.

Werbung
Die unglaubliche Reise des FC Schalke 04 Vom bitteren Abstieg bis zur meisterlichen Rückkehr in die Erste Liga – die Geschichte der Saison 2021/22

Jüdische Zwangsarbeiterinnen in Benzinfabrik

Das Linnenbrinksfeld ist vor allem aufgrund seiner Nähe zu großen Industrieanlagen historisch geprägt. So befand sich östlich des Lanferbaches, einem Nebenlauf der Emscher, zur Zeit des Nationalsozialismus ein Werk der Gelsenberg Benzin AG. Dort waren während des Zweiten Weltkrieges auch 2.000 jüdische Zwangsarbeiterinnen eingesetzt. Diese waren eigens aus dem Konzentrationslager Auschwitz nach Gelsenkirchen gebracht worden, um beim Wiederaufbau des nach einem ersten britischen Luftangriff im Juni 1944 beschädigten Werkes zu helfen. Bei einem erneuten alliierten Luftangriff am 11. September 1944 kamen schließlich mindestens 138 Zwangsarbeiterinnen ums Leben.

Anhand der verfügbaren Quellen – Erinnerungen von Überlebenden des Angriffs, Unterlagen des Friedhofamtes Gelsenkirchen sowie Zeitzeugengespräche – ist davon auszugehen, dass die Opfer unmittelbar nach den tödlichen Luftangriffen in bis zu drei Massengräbern (vermutlich Bombentrichter) in der Nähe des Linnenbrinksfeld verscharrt wurden. Der genaue Ort ist heute nicht mehr zweifelsfrei zu rekonstruieren.

Immer noch sterbliche Überreste im Boden

Glaubhafte Zeitzeugenaussagen unter anderem des an der Aktion beteiligten damaligen Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, Kurt Neuwald (dessen Ehefrau Cornelia eine der Zwangsarbeiterinnen und damit direkte Augenzeugin von all dem Schrecklichen war) legen nahe, dass später eine Umbettung der getöteten Zwangsarbeiterinnen stattgefunden hat.

Werbung

Gleichwohl kann nach der gutachterlichen Einschätzung des Historikers Christopher Kirchberg nicht ausgeschlossen werden, dass sich immer noch sterbliche Überreste der Jüdinnen dort befinden. „Uns ist es wichtig, diese sensible Thema in enger und guter Abstimmung mit der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen, der Stadt Gelsenkirchen sowie dem Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen anzugehen“, sagt Prof. Dr. Uli Paetzel, Vorstandsvorsitzender der Emschergenossenschaft.

Die Emschergenossenschaft kündigte an, die Öffentlichkeit über die weiteren Entwicklungen informieren zu wollen..