Erinnerung an Novemberpogrome 1938

Erinnerung an Novemberpogrome 1938

Über 500 Menschen erinnern an die Novemberpogrome 1938 und stellen sich gegen Gewalt und Menschenfeindlichkeit.
Erinnerung an Novemberpogrome 1938

Schweigezug durch die Innenstadt von Buer zum Gustav-Bär-Platz. Bildrechte: Stadt Gelsenkirchen

Die diesjährige Demonstration und Kundgebung zum Gedenken an die Pogrome in der so genannten Reichskristallnacht am 9. November 1938 erinnerte gleich an zwei Orten an die Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung. Dem Aufruf der Demokratischen Initiative, einem Zusammenschluss dem Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Verbände und die Jüdische Gemeinde Gelsenkirchen angehören, folgten über 500 Menschen. Sie versammelten sich auf dem Alten Friedhof Mühlenstraße am Mahnmal für die jüdischen Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.

Antisemitismus längst nicht überwunden

Hier erinnerte Judith Neuwald-Tasbach, Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Gelsenkirchen daran, dass auf dem Alten Friedhof Buer auch Menschen jüdischen Glaubens beerdigt waren. Ihre Gräber wurden in der Pogromnacht verwüstet und geschändet. Bereits 1947 wurde hier das erste Gelsenkirchener Mahnmal zum Gedenken an die jüdischen Opfer nationalsozialistischer Verfolgung errichtet. Doch erst seit dem 9. November 2017 stehen auf einem Gedenkstein die Namen der Frauen und Männer, die hier zwischen 1907 und 1935 beerdigt wurden. Mit dem 9. November 1938 begann der Holocaust, die Verfolgung und Vernichtung von Menschen jüdischen Glaubens, so Judith Neuwald-Tasbach. Sie mahnte, dass der Antisemitismus längst nicht überwunden sei, es immer wieder Übergriffe bis hin zu Mordversuchen an Menschen jüdischen Glaubens gäbe.

Werbung
Die unglaubliche Reise des FC Schalke 04 Vom bitteren Abstieg bis zur meisterlichen Rückkehr in die Erste Liga – die Geschichte der Saison 2021/22

Mit dem Gebet für die ermordeten Juden Europas wurde der Opfer gedacht und Orte des nationalsozialistischen Vernichtungswahns wie Auschwitz, Dachau, Ravensbrück oder Buchenwald in Erinnerung gerufen. Im Anschluss an das Gebet folgte der Schweigezug durch die Innenstadt von Buer zum Gustav-Bär-Platz mit dem Mahnmal zur Erinnerung an die Synagoge, die hier am 12. November 1922 eingeweiht wurde. Der Platz ist nach dem damaligen Religionslehrer und Prediger der jüdischen Gemeinde in Buer benannt. Emil Zimmermann, Oberbürgermeister des noch selbstständigen Buer, stellte die Synagoge unter den Schutz seiner Stadt.

Lehren aus der Vergangenheit

„Es war ein schönes, aber kein tragfähiges Versprechen“, so Gelsenkirchens Oberbürgermeisterin Karin Welge in ihrer Rede auf dem Gustav-Bär-Platz. „Lediglich 16 Jahre diente das Haus als Synagoge. Anfangs recht gute Jahre, bald sehr schwierige, bis hin zum 9. November 1938. Bis zu dem Tag, an dem mit voller Brutalität spürbar wurde, dass die Stadt ihre jüdische Gemeinde und die Synagoge längst nicht mehr schützte, sondern stattdessen vollkommen schutzlos dem Nazi-Mob überließ.“ Nur so sei es möglich gewesen, dass am 9. November in Buer wie an so vielen anderen Orten in Deutschland tausende Menschen angegriffen und geschlagen, beschimpft und eingesperrt wurden, so die Oberbürgermeisterin weiter. Und sie mahnte, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen und nicht in Vergessenheit geraten zu lassen: „Wer den Blick zurück, den Blick auf die Schattenseiten der Geschichte scheut, wer die Folgen von Gewalt nicht versteht, wer sie totschweigen will – der wird die Wunden der Geschichte niemals heilen können. Der muss weiter mit den alten und neuen Wunden leben. Und der scheint tatsächlich dazu verurteilt zu sein, alte Fehler zu wiederholen.“ Fassungslos blicke sie auf Russland, auf den blutigen Angriff gegen die Ukraine, der auch ein Angriff gegen das eigene Land, gegen das zivile Russland sei. „Möglich ist dieser Wahnsinn nur, weil sich das Land unter Putin nie ehrlich seiner Gewaltgeschichte gestellt hat; weil der Staat unter Putin eine so dringend nötige Aufarbeitung dieser Geschichte immer erschwert hat“, so die Oberbürgermeisterin.

Seit 1964 wird in Gelsenkirchen an die Novemberpogrome erinnert, gehen immer wieder hunderte Menschen auf die Straße, so auch in diesem Jahr. „Es ist wichtig, dass wir nicht müde werden, für Respekt, Menschenwürde und Demokratie einzutreten, gegen Gewalt und Diskriminierung – und ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie das heute abermals tun“, schloss Oberbürgermeisterin Karin Welge ihre Rede.

Werbung