Musiktheater: „Jedes Projekt ist eine Herausforderung“

Musiktheater: „Jedes Projekt ist eine Herausforderung“

„Jedes Projekt ist eine neue Herausforderung“, sagt Matthias Scholz. Er ist Bühnenmaler am Musiktheater im Revier. Ein Besuch im Malsaal des Gelsenkirchener Opernhauses.
„Jedes Projekt ist eine neue Herausforderung“, sagt Matthias Scholz. Er ist Bühnenmaler am Musiktheater im Revier. Ein Besuch im Malsaal des Gelsenkirchener Opernhauses.

Im Stehen malen: Veronique Dzwonek und Matthias Scholz im Malsaal des Musiktheaters im Revier. Foto: André Przybyl

 

Nicht kleckern, sondern klotzen, lautet die Devise im Malsaal des Musiktheaters im Revier: Die Malerinnen und Maler fertigen ihre Bilder im Stehen mit rund einem Meter langen Pinseln an – und Prospekte sind keine kleinen Hefte im DIN-A4-Format. „Im Theater sind Prospekte große bemalte Tücher, die im Hintergrund des Bühnenbilds hängen“, erklärt Bühnenmaler Matthias Scholz. „Im Großen Haus sind sie bis zu acht Meter hoch und 15 Meter lang.“

Seit vergangenem Jahr arbeitet Matthias Scholz im Malsaal des Gelsenkirchener Opernhauses. „Gemalt habe ich schon im Kindergarten“, erinnert er sich. „Jedoch war ich nach der Schule unsicher, ob ich damit mein Geld verdienen kann.“ Zunächst entschiedt er sich anders: „Ich habe angefangen Biologie zu studieren, dann eine Ausbildung zum Zahntechniker gemacht und danach Zahnmedizin studiert“, erzählt er. „Doch in den Berufen bin ich nicht zurechtgekommen – und habe die Notbremse gezogen.“ Nach einer Orientierungsphase entschloss er sich, etwas vollkommen anderes zu versuchen – und absolvierte die Ausbildung zum Bühnenmaler.

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Maler lassen Holzgrund wie Mamor aussehen

Am MiR fühlt er sich nun wohl. „Kein Tag gleicht dem anderen“, sagt er. Das mag er. „Der Malsaal ist die Werkstatt im Theater, in dem die Kulissen ihre gemalte Oberfläche erhalten“, fasst er seine Arbeit zusammen. Gebaute Kulissen anzumalen und Oberflächen zu imitieren, gehören zu seinen Aufgaben. „Zum Beispiel lassen wir einen Holzgrund wie verrosteten Stahl, Marmor oder einen Baum aussehen.“ Plastische Arbeiten entstehen ebenfalls im Malsaal.

„Jedes Projekt ist eine neue Herausforderung“, berichtet er. Eine Aufgabe ist ihm besonders in Erinnerung geblieben: „Wir sollten große Halbkugeln aus weißem Kunststoff schwarz anmalen“, erzählt er. „Die hatten allerdings eine wachsartige Oberfläche, an der nichts gehaftet hat.“ Nach 15 oder 16 Versuchen findet er endlich eine Lösung. „Doch wir hatten nicht mit dem Kunstnebel auf der Bühne gerechnet“, fährt er fort. „Der hat mit der Farbe reagiert – die Kostüme waren nach der ersten Probe total versaut.“ Mit einem speziellen Lack gelingt es ihm schließlich doch, das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Bühnenbildner machen uns Vorgaben

Während das Bühnenbild entsteht, ist für ihn eine „präzise Kommunikation“ wichtig. „Die Bühnenbildner machen uns Vorgaben – manche zeigen uns Fotos, andere fertigen selbst Skizzen oder Modelle an“, berichtet er. „Und wir müssen versuchen, diese Vorstellungen mit unseren Mitteln umzusetzen.“ Manchmal bekommt er auch künstlerischen Freiraum – doch das kann durchaus schiefgehen. „Ein Bühnenbildner wollte Kisten, Road-Cases, die richtig runtergerockt aussehen sollten“, erinnert er sich. Die Reaktion nach getaner Arbeit: „Oh Gott, was hast du gemacht.“ –„Dann habe ich einen Schwamm genommen, alles weggewischt und nochmal von vorn angefangen – das passiert halt.“

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Wie lange Matthias Scholz und seine Kolleginnen und Kollegen an einem Projekt sitzen, hängt vom Entwurf und vom Umfang der Arbeiten ab. „Vier bis sechs Wochen sind die Regel“, erzählt er. „Bei kleinen Stücken werden wir auch mal innerhalb von zwei Woche fertig.“

Auszubildende: „Es wird nie langweilig“

Die Herausforderungen schätzt auch Veronique Dzwonek an dem Beruf. „Es wird nie langweilig.“ Sie absolviert im MiR ihre Ausbildung zur Bühnenmalerin, ist zurzeit im zweiten Lehrjahr. „Etwas Kreatives wollte ich schon mein Leben lang machen“, erzählt sie. „Aber ich hatte nie das Richtige gefunden.“ Eine Ausbildung zum Steinbildhauer ist ihr körperlich zu anstrengend. Bei einer Maßnahme in einer Schreinerei baut sie Puppenhäuser und ein VW-Bus samt Innenausstattung. „Dann hat mich ein Familienmitglied auf die Ausbildung zum Bühnenmaler im Musiktheater aufmerksam gemacht.“ Nach zwei Praktika entschließt sie sich, diesen Weg einzuschlagen. 

Um Bühnenmaler zu werden, ist zeichnerisches Talent gefragt. „Das ist die Grundlage der Malerei“, sagt Matthias Scholz. „Die Maltechnik, Lasur-Malerei, bringen wir den Azubis bei – aber eine profunde Qualität im Zeichnen sollten die Kandidatinnen und Kandidaten schon mitbringen.“

In fast alle Produktionen eingebunden

Seitdem Veronique Dzwonek am Musiktheater ist, wird sie in fast alle Produktionen eingebunden. „Daneben arbeite ich an meinen Übungsprospekten.“ Hierbei muss sie kleine Vorlagen auf die Dimensionen im Theater bringen. „Zurzeit bereite ich mich auf die Zwischenprüfung vor“, erzählt sie. Prüfungsinhalt ist unter anderem die sogenannte Graumalerei. Mit verschiedenen Schattierungen von Schwarz wird dabei die Wirkung plastischer Reliefs erzeugt. „Davor habe ich keine Angst.“ Erst in der Abschlussprüfung steht ein großes Prospekt an.

Mit den überdimensionalen Pinseln im Stehen zu malen, ist für sie zunächst eine Umstellung. „Das Lasieren war für mich anfangs ebenfalls schwierig“, erzählt sie. Dabei entsteht ein Bild, indem verschiedene Farbschichten übereinander gemalt werden. „Ich musste erst lernen, welche Schicht auf die nächste folgt – aber so langsam wird’s.“ Nach ihrer Ausbildung würde sie gerne am MiR bleiben. „Das wäre schon sehr schön“, sagt sie. „Ansonsten werde ich mal schauen, wo mich mein Herz hinführt.“

André Przybyl