„Urbanus-Kiez“: Auf dem Weg zum Buermuda-Dreieck?
„Urbanus-Kiez“: Auf dem Weg zum Buermuda-Dreieck?
Wie kann Buer attraktiver werden? Mit mehr hochwertiger Gastronomie, sagt eine Machbarkeitsstudie – denn rund um die Domplatte schlummerten ungenutzte Potenziale. Dort könnte der „Urbanus-Kiez“ entstehen. Möglichkeiten will die Stadt zunächst ausloten – mit dem „Urbanus-Herbst“ im Oktober.
Kann Buer zu einem Bermuda-Dreieck nach Bochumer Vorbild werden – zu einem Buermuda-Dreieck? Zumindest bescheinigt eine nicht öffentliche Machbarkeitsstudie unter dem Titel „Urbanus-Kiez“ der Buerschen Innenstadt ungenutzte Potenziale: Rund um Domplatte und Hagenstraße könne mehr Gastronomie angesiedelt und so die Attraktivität gesteigert werden. Langfristig empfehlen die Gutachter, städtische Flächen umzubauen. „Bevor wir viel Geld in die Hand nehmen und in bauliche Veränderungen investieren, wollen wir zunächst erproben, ob die Menschen derlei Angebote annehmen“, erklärt Wirtschaftsdezernent Simon Nowack. Das soll vom 1. bis 23. Oktober mit dem sogenannten „Urbanus-Herbst“ geschehen.
Im Auftrag der Stadt hat das Dortmunder Büro Schulten – Stadt- und Raumentwicklung (SSR) eine „städtebauliche, funktionale und wirtschaftliche Machbarkeitsstudie“ erstellt. Ziel war es, „die Möglichkeiten und Grenzen eines regional herausragenden Gastronomiestandorts rund um den St.-Urbanus-Kirchplatz“ auszuloten.
Südliche Teil der Hagenstraße spielt zentrale Rolle
Eine zentrale Rolle in der Studie spielt nun der südliche Teil der Hagenstraße. Für die Sackgasse am Lokal ohne Namen und den angrenzenden Spielplatz schlagen die Gutachter eine Kombination aus Spiel- und Veranstaltungsraum vor. „Die Studie empfiehlt, den kleinen Park neu zu nutzen“, berichtet Simon Nowack. „Der Spielplatz soll verlegt und dafür Freiraum für Veranstaltungen geschaffen werden.“
Ferner schlägt die Studie vor, Ladenlokale an der Domplatte zusammenzulegen, um so Platz für großflächige Gastronomie zu schaffen. „Das soll keine Entwicklung werden, die von Oben verordnet wird“, erklärt Nowack. „Wir wollen nicht, dass Mietern zugunsten von Gastronomie gekündigt wird.“ An diesem Punkt sei man ohnehin noch nicht.
„Urbanus-Herbst“ läutet Testphase ein
Zunächst läutet die Stadt mit dem „Urbanus-Herbst“ eine zweiteilige Testphase ein. Vom 1. bis 23. Oktober stellt das Zukunftsnetz Mobilität NRW auf der Hagenstraße zwischen Michaelshaus und dem Lokal ohne Namen sogenannte Stadtterrassen auf. Bänke, Pflanzkübel, Tisch-Garnituren, Liegen und eine kleine Bühnen sollen die Menschen zum Verweilen einladen. Dafür fallen im Oktober 18 Parkplätze weg. Drei Behindertenparkplätze werden verlegt.
An einigen Tagen werden die Terrassen mit Musik, Diskussionen und Aktionen bespielt, wofür die Stadt 40.000 Euro zur Verfügung stellt. Dabei arbeitet die Stadt mit dem Verein Insane Urban Cowboys (IUC) zusammen. „Wir veranstalten kein Festival wie Rock am Dom und auch kein Cityfest“, stellt der stellvertretende IUC-Vorsitzende Roman Milenski klar. „Es wird ein niedrigschwelliges Programm, das die Passanten dazu einlädt, sich spontan zu setzen und zum Beispiel einem DJ zuzuhören.“ Alle Angebote sind kostenlos und können – bis auf eine Ausnahme – ohne Anmeldung besucht werden.
Stadtterrassen werden an 19 Tagen bespielt
An 19 der insgesamt 23 Tagen werden die Terrassen bespielt. So laden die „Quartiersentdecker“ – ein Projekt der Stadt in Zusammenarbeit mit Kitas und Schulen – an zwei Terminen dazu ein, Buer näher zu erkunden. An Infoständen informiert das städtische Verkehrsreferat über Pläne zum Radverkehr sowie über weitere Verkehrsprojekte. Ferner stellt der Verein a tip: tap sich und sein Anliegen vor, auf Leitungswasser statt gekauftes Wasser aus Flaschen zu setzen.
Bei einem Zeichen-Workshop erhalten die Teilnehmer Tipps, wie mit wenigen Strichen Figuren, Gesichter und Gegenstände auf dem Papier lebendig werden können. Beim Kneipenquiz Gelsenstyle können die teilnehmende Teams um die Wette quizzen. Anmeldungen dazu sind per E-Mail an kneipenquiz-ge@gmx.de möglich. Die Arbeitsgemeinschaft Verkehr des Quartiersnetz Buer-Ost lädt zum Gespräch über die Verkehrssituation in Buer ein und der „Urbanus-Kiez“ steht im Fokus einer Diskussion.
Kunst-Performance verbindet Video, Licht und Klang
Eine Kunst-Performance, die Video, Licht und Klang verbindet, ist am 6. Oktober geplant. „Was wir genau zeigen, ist anhängig vom Wetter und zurzeit noch in Planung“, berichtet der Gelsenkirchener Künstler Ole-Kristian Heyer. Gemeinsam mit Mabel Yu-ting Huang und Dawid Liftiger stellt er die Performance auf die Beine. „Wir werden das Anliegen des ‚Urbanus-Kiez’, Freiräume in der Stadt zu schaffen, thematisieren und lassen uns dabei von der Buerschen Linde inspirieren.“
Vier Konzerte haben die Insane Urban Cowboys für den „Urbanus-Herbst“ geplant: Blues bringt das Dan Hunter Trio am 2. Oktober zu Gehör. Am 14. Oktober spielt das Projekt Talion eine internationale Mischung aus Soul, Pop und Funk. Und Safetyville alias Isabell Honig trägt Lieder vor, die sich zwischen Indie und Singer-Songwriter bewegen. „Der musikalische Höhepunkt des Programms findet am 6. Oktober statt“, erklärt Milenski. „Dann gibt der Gelsenkirchener Rapper Weekend ein exklusives Clubkonzert im Lokal ohne Namen.“ Das Vorprogramm bestreiten die Newcomer Dazzit aus Hamburg und Ayo aus Wuppertal mit einer Mischung aus Hip-Hop und R’n’B.
„Urbanus-Herbst“ startet mit Wein-Probe
Los geht der „Urbanus-Herbst“ mit einer Wein-Probe, die am 1. und 2. Oktober edle Tropfen serviert. Am Samstag steht dazu DJ Markus San an den Plattentellern. Bei schlechtem Wetter findet das Programm im Lokal ohne Namen statt, das Kooperationspartner ist.
Ob auch das Lichterfestival Goldstücke einen Beitrag zum Programm beisteuert, ist zurzeit noch unklar. „Vielleicht stellt uns das Kunstmuseum die Lichtskulptur ‚CKM02’ des mexikanischen Künstlers Roberto Cuellar zur Verfügung“, erzählt Roman Milenski. Diese stand bei den letztjährigen Goldstücken vor dem Rathaus und beginnt zu leuchten, wenn man sie mit dem Skateboard befährt. „Wir haben für die Skulptur noch einen Platz freigehalten.“
Nowack: „Hätten Testphase gerne schon früher gestartet“
Simon Nowack hofft auf einen goldenen Oktober, damit der Testlauf nicht wortwörtlich ins Wasser fällt. „Wir hätten gerne die Testphase schon früher im Jahr gestartet“, erklärt er. „Doch Genehmigungsverfahren haben lange gedauert, sodass wir erst jetzt starten können.“ Ferner habe sich Gelsenkirchen um die Stadtterrassen bewerben müssen. „Und wir haben nun den Zuschlag für Oktober erhalten.“
Doch unabhängig davon, ob das Angebot gut angenommen werde oder nicht, soll voraussichtlich im Mai oder Juni kommenden Jahres die zweite Testphase starten. „Dann können Gaststätten die Sackgasse als Außengastronomie nutzen“, sagt Nowack. Interesse bekundet hätten bereits das Lokal ohne Namen, das Buerno sowie eine Pizzeria. „Außerdem sollen Foodtrucks das Angebot ergänzen.“
Wirtschaftsförderung will auch andere Teile Buers beleben
Der Chef der Wirtschaftsförderung räumt ein, dass insbesondere Gastronom Christoph Klug von den Plänen profitiert. Klug gehören das Lokal ohne Namen sowie das Domgold und das LON Deli, die beide um die Ecke am Domplatz liegen. „Deshalb ist es sowohl uns als auch Christoph Klug wichtig, dass auch andere Gastronomen die Fläche bespielen“, erklärt Nowack. „Außerdem hält er seit Jahren die Fahne in Buer hoch.“ Die Wirtschaftsförderung arbeite daran, auch andere Teile Buers mit Gastronomie zu beleben. „Die Buer Management GmbH möchte am Robinienhof einen Gastro-Container aufstellen“, berichtet Nowack.
Christoph Klug selbst räumt ein, dass „es nach 52 Jahren natürlich schön ist, endlich eine Außengastronomie am Lokal ohne Namen zu haben – für Restaurants und Kneipen mangelt es in Buer an Außenflächen.“ Er schätzt, dass dort rund 150 zusätzliche Plätze entstehen könnte. Doch er wolle nicht den Eindruck erwecken, alleiniger Nutznießer des Projekts zu sein. „Ähnlich wie bei der Kultur-Wiese hoffe ich, dass andere Gastronomen das Angebot ebenfalls nutzen – dafür stelle ich auch gerne meine Infrastruktur wie Toiletten zur Verfügung.“ Er begrüßt, dass die Sackgasse am Lokal ohne Namen belebt werden soll. „Dort ist der nördliche Eingang zur Stadt und wenn die Leute sehen, dass dort etwas los ist, profitiert Buer davon.“
Klug: „Der Mix ist entscheidend“
Die Innenstadt könne durchaus mehr Gastronomie vertragen. „Doch der Mix ist entscheidet“, erklärt Klug. „Ein thailändisches Restaurant oder eine schöne Cocktail-Bar wären gut – wir müssen verschiedene Angebote schaffen, um unterschiedliche Geschmäcker zu bedienen.“ Gegen Systemgastronomie – wie in der Machbarkeitsstudie vorgeschlagen – spricht sich Klug jedoch aus. „Das war in den 1990er-Jahren angesagt.“
Wann der „Urbanus-Kiez“ umgesetzt werden kann, stünde zurzeit noch in den Sternen. „Das ist kein Projekt, das wir von heute auf morgen realisieren können“, erklärt Simon Nowack. „Wir werden zunächst die Ergebnisse der Testphasen auswerten und dann Ende kommenden Jahres weitere Schritte planen.“