Volksbank Ruhr Mitte: Dr. Peter Bottermann im Interview

Dr. Peter Bottermann geht Ende Juni als Vorstandssprecher der Volksbank Ruhr Mitte in den Ruhstand. Im Interview zieht er ein Resümee und blickt mit Jörg Lott auf den Wandel im Bankwesen. 
Volksbank Ruhr Mitte: Dr. Peter Bottermann im Interview

Dr. Peter Bottermann geht im Juni in den Ruhrstand. –Foto: Spernol

„Nichts ist so beständig, wie der Wandel.“ Mit diesem Zitat von Heraklit von Ephesus stimmen Sie in einem Schreiben die Mitgliedervertreter der Volksbank Ruhr Mitte auf den Wechsel in der Vorstandsetage ein. Herr Dr.  Bottermann, wie hat sich denn die Bank in Ihren 27 Vorstandsjahren gewandelt?

Dr. Peter Bottermann: Im Zeitraffer beschrieben, haben sich die genossenschaftlichen Volks- und Raiffeisenbanken seit 1996, also zu Beginn meiner Vorstandstätigkeit hier, neben den guten Bank-Dienstleistungen durch eine dezentrale Aufstellung definiert. Es galt, an möglichst vielen Standorten mit eigenen Filialen vor Ort vertreten zu sein. Zeitweise hatten wir genauso viele Filialen, wie die Bundespost Standorte.

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Dieser Anspruch hat sich bei Bank und Post deutlich geändert …

Bottermann: Zum damaligen Zeitpunkt war das aber absolut richtig und wichtig. In den Filialen vor Ort haben wir unsere Kunden abgeholt. Hier hat Bank stattgefunden, hier gab es nicht nur die Service-Angebote, sondern hier wurden nahezu alle Beratungsgespräche geführt. Aber das Kundenverhalten hat sich in den letzten Jahrzehnten immer stärker gewandelt und hat mit der Digitalisierung einen zusätzlichen Schub bekommen. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, haben wir Filialen zu größeren Einheiten zusammengefasst und viel in Technik investiert. Das hat immer höchste Sensibilität gefordert und war sicherlich für den einzelnen Kunden nicht immer leicht. Ganz obenan stand immer, die Arbeitsplätze der Mitarbeiter zu sichern und dabei immer die Hand am Puls der Kunden zu haben.

Jörg Lott: Jeder hängt ja irgendwie an seinem Viertel und damit wahrscheinlich auch an seiner Bank-Filiale direkt um die Ecke. Es ging also darum, den tatsächlichen Bedarf unserer Kundschaft auszuloten. Für Service-Angebote wie die Bargeld-Versorgung und das Erledigen der Überweisungsgeschäfte haben Filialen nach und nach an Bedeutung verloren. Aber es hat sich herausgestellt, dass Kunden für persönliche Beratungsgespräche, die vielleicht zwei oder dreimal im Jahr stattfinden, durchaus bereit waren, auch ein paar Kilometer zu ihrer Filiale zu fahren.

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27 Jahre Vorstandsarbeit: Gab es so etwas wie eine „schwärzeste Stunde“?

Bottermann: Was die eigenständigen Entscheidungen unserer Bank betrifft, waren es sicherlich die ersten Filialschließungen. Ganz besonders bleibt bei mir die Finanzmarktkrise 2008/09, die die regionalen Banken sicher nicht zu verantworten hatten, hängen, die uns aber sowohl betriebswirtschaftlich vor große Herausforderungen gestellt hat und die uns in unserem weiteren Tun auch harte Bandagen hinsichtlich der dadurch entstandenen Aufsichtsmechanismen angelegt hat. Wobei man schon zugeben muss, dass die daraus resultierenden Konsequenzen auch unser Geschäft sicherer gemacht haben, man sollte das also auch nicht alles verteufeln.

Lott: In der Tat war 2008/09 eine sehr schwierige Phase, auch innerhalb der Belegschaft. Wir mussten unsere Kundenberatungsteams aufrichten und klar machen: „Wir haben das nicht verbockt, auch wenn wir es jetzt mit ausbaden müssen.“

 

Banker hatten damals nicht den besten Ruf: In diversen Rankings standen sie relativ weit unten …

Lott: Auch deshalb ging es darum, unseren Leuten klarzumachen: „Mensch, wir sind die Guten innerhalb der Bankenbranche …“ Tatsächlich hat die Finanzmarktkrise dann aber auch dazu geführt, dass wir Kunden für uns gewinnen konnten, die sich bis dato eher sonst einer Groß- oder Privatbank anvertraut hatten und die plötzlich die Werte, für die wir stehen, zu schätzen wussten.

Bottermann: Volksbanken galten bis zu diesem Zeitpunkt als konservativ und für einige Kunden auch weniger modern. 

Lott: Volksbank war für einige irgendwie nicht sexy, galt als angestaubt und in Teilen etwas langweilig. Plötzlich war das vermeintlich langweilige zusehends spannend, vor allem aber verlässlich. Weil man wusste: Die Volksbanken und auch Sparkassen vor Ort sind regional und machen keine verrückten Sachen. Das wurde nun geschätzt. Mit entscheidend dabei war, dass wir hier den direkten Kundenkontakt haben, dass wir hier direkt am Standort unsere Kunden und sie uns kennen.

 

Wie denken Sie über Ihren Standort Buer – es gibt immer wieder mal Anflüge von etwas größerem Pessimismus hinsichtlich der Situation des Handels?

Bottermann: Ich bin da optimistischer. Wir sind ja selbst hier auch engagiert, und ich weiß, dass es ganz viele kompetente Menschen gibt, die sich um Lösungen bemühen. Es gibt die Buersche Management-Gesellschaft, es gibt Investoren-Gemeinschaften – aus einer solchen ist ja beispielsweise das Linden-Carree entstanden. Natürlich gibt es eine problematische Situation rund um die Werbegemeinschaft und sicherlich gehört zu einer guten Entwicklung auch die Kooperation mit der Stadt dazu, wo es für alle noch Luft nach oben gibt. 

 

Wenn Sie aber hier aus Ihrem Fenster auf die leerstehenden Weiser-Häuser blicken, muss das doch wie eine Wunde sein. Juckt es die Volksbank da nicht, selbst initiativ zu werden?

Bottermann: Natürlich würde ich mir für die beiden Häuser eine attraktive Lösung wünschen. Weil die Weiser-Häuser natürlich für die gesamte Buersche Innenstadt Frequenzbringer waren. Aber es kann nicht Aufgabe einer Bank vor Ort zu sein, da eigeninitiativ tätig zu werden. Sollte sich aber ein Investor finden, der die Häuser entwickelt, sind wir gerne bereit, die Entwicklung mit einer Finanzierung zu begleiten. 

 

Unterscheiden Sie bei der Analyse Ihres Geschäftsgebietes zwischen Buer und Gelsenkirchen, zwischen Gladbeck und Herten?

Bottermann: Grundsätzlich denken wir unser Geschäftsgebiet in Gänze. Aber natürlich wissen wir um die Problematik unseres Geschäftsgebiets, Stichwort Kaufkraft-Kennziffer. Wir sind hier nun mal an einem Standort, wo man mit eher schwierigen Rahmenbedingungen konfrontiert wird; #401 ist da ein weiteres Stichwort. Anders als in der Hellweg-Region ist der Strukturwandel hier zweifellos nicht so gut vorangekommen. Ob das nun eine Folge auch politischer Fehlentscheidungen der Vergangenheit war oder nicht, sei mal dahingestellt. Fakt ist, dass wir damit klarkommen müssen. Für mich sind es aber ohnehin die Menschen, die unsere Region positiv prägen. Und da möchte ich nirgendwo anders leben und arbeiten.

Lott: Für uns ist dieser Standort auch eine Herausforderung in der Form, dass wir halt immer noch ein bisschen fleißiger und kreativer sein müssen, als es woanders vielleicht der Fall wäre. Wo im Speckgürtel von Düsseldorf vielleicht ein Sparvertrag geschrieben wird, müssen es hier zwei oder drei sein – weil die Höhe der Einzahlungen hier halt geringer ist. Das Schöne ist, dass wir es bislang immer ganz gut hinbekommen haben.

 

Nicht funktioniert hat die geplante Fusion mit der Volksbank Rhein-Ruhr. Woran lag’s?

Bottermann: Grundsätzlich war die Absicht, durch die Fusion Synergien zu heben, die Regionalität zu wahren und den Kunden gleichzeitig mehr Vorteile bieten zu können. Am Ende der Wegstrecke mussten wir allerdings feststellen, dass es kulturell zwischen beiden Häusern noch nicht zu 100 Prozent gepasst hat.

 

Jetzt schon dauerpräsent ist das Thema Nachhaltigkeit: Die Volksbank Ruhr Mitte sucht Baumpaten und vergibt Preise für Klimahelden und -heldinnen. Gehört das zum Kerngeschäft einer Bank?

Lott: Ja, immer mehr. Zum einen schon aus aufsichtsrechtlichen Gründen: Wir sollen schon genau hingucken, für welche Unternehmen und Projekte wir Kredite vergeben und für welche lieber nicht. Und das Thema findet auch in unserer Belegschaft eine große Resonanz. Die meisten finden das spannend, klasse – und machen bei diesen Aktionen gern mit. Für den großen Aufräum-Tag in Gladbeck im März haben sich auch schon wieder viele Freiwillige gemeldet, die an ihrem freien Samstag gern mit anpacken.

Bottermann: Nicht zu unterschätzen ist in diesem Zusammenhang auch das Thema Arbeitgeberattraktivität. Wir werden tatsächlich in Bewerbungsgesprächen immer häufiger von jungen Leuten angesprochen, die wissen wollen, wie unsere Nachhaltigkeitsstrategie aussieht. Die haben sich zwar vorab im Internet schon informiert, haken dann aber nochmal ganz genau nach.

 

2023 beginnt der Umbau Ihres Hauptsitzes in Buer, eine gewaltige und kostspielige Angelegenheit …

Bottermann: Die Arbeiten sollen im zweiten Quartal beginnen, ich werde Mitte des Jahres ausscheiden und daher wohl nicht mehr allzu viel davon mitbekommen. In dieser Hinsicht beneide ich unsere Mitarbeiter nicht, da solch große Projekte immer mit einer Beeinträchtigung am Arbeitsplatz einhergehen.

 

Wir stellen uns vielmehr die Frage, ob in Zeiten von „Home Office“ ein so großes Gebäude überhaupt noch zeitgemäß und erforderlich ist?

Lott: Die Frage ist absolut berechtigt, die haben wir uns auch gestellt. Es ist ja in der Tat so, dass heute nicht mehr jeder Mitarbeiter jeden Tag hier vor Ort sein muss. Daher wurde darüber diskutiert, ob nicht bestimmte Teile des Gebäudes vermietet werden sollen. Wir haben uns aber dafür entschieden, dass wir bislang ausgelagerte Abteilungen der Volksbank Ruhr Mitte wieder zurück hier ins Haupthaus holen.

 

Herr Dr. Bottermann, Sie haben die Volksbank Ruhr Mitte in den vergangenen Jahrzehnten zweifellos geprägt. Werden Sie der Bank in irgendeiner Form beispielsweise in einem Gremium erhalten bleiben?

Bottermann: Nein, ganz bestimmt nicht. Ich bin dafür, einen klaren Schnitt zu machen. Es gibt Kollegen anderer Banken, die nach ihrer Vorstandstätigkeit beispielsweise in den Aufsichtsrat gewechselt sind. Ich habe das für mich aber immer ausgeschlossen. Zudem bin ich mir sicher, dass die Bank bei Ingo Abrahams, der für mich dann Vorstandssprecher werden wird, und Jörg Lott in guten Händen ist. Dass mein Herz auch ohne meine Mitwirkung weiterhin am Gelingen der Volksbank Ruhr Mitte hängt, ist für mich ohnehin selbstverständlich.

 

Wird es durch den Wechsel im Volksbank-Vorstand auch eine Art menschlichen Kulturwandel geben?

Bottermann: Kann ich mir nicht vorstellen. Durch die intensive Zusammenarbeit in den letzten Jahren weiß ich, dass wir über Vieles gleich denken, insbesondere was gemeinsame Wertvorstellungen und unseren Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter betrifft. In den letzten Jahren hat sich das Rollenverständnis von Führungskräften und damit auch von Bankvorständen Gott sei Dank stark verändert. Früher wurde sicherlich eher hierarchiebetont gearbeitet; heute sind eher Dinge wie Empathie und kooperatives Miteinander gefragt, ohne allerdings Verantwortungsbereiche verschwimmen zu lassen. 

 

Stichwort Wandel: Wie wird das Bankenwesen aussehen, wenn Sie in den Ruhestand gehen, Herr Lott. Wird es beispielsweise noch Bargeld geben?

Lott: Das wäre dann so in zwölf bis 14 Jahren. Die Technik wird sich weiter entwickeln, was zum Beispiel den gesamten Zahlungsverkehr und die Interaktion mit Kunden betrifft. Aber: Sie wird dann an ihre Grenzen stoßen, wenn es um eine qualifizierte Beratung geht. Wir sehen auch heute schon den Trend, sich Online zu informieren, aber vor dem konkreten Abschluss suchen Kunden noch immer den Austausch mit dem Berater, um sich abzusichern, dass das Produkt vollständig verstanden wurde und zur individuellen Lebenssituation passt. Bargeld? Ich glaube schon, dass es das dann noch geben wird. Wir Deutschen werden wahrscheinlich die Letzten sein, die auf das liebgewonnene Bargeld verzichten werden. 

Das Gespräch führten Norbert Neubaum und Boris Spernol

 

Zur Person

Dr. Peter Bottermann (63), seit 1996 im Vorstand der Volksbank Ruhr Mitte tätig, davon rund 16 Jahre als Sprecher des Vorstands, geht zum 30. Juni 2023 in den Ruhestand.

Der Aufsichtsrat hat zum Jahresbeginn Jörg Lott (53), bis dato Leiter „Private Banking“ bei der Volksbank, in den Vorstand berufen. Die Sprecher-Aufgabe übernimmt ab Juli Ingo Abrahams (55), seit 2015 im Vorstand.