Gelsenkirchen: Karneval feiert schwieriges Comeback nach Corona

Gelsenkirchen: Karneval feiert schwieriges Comeback nach Corona

Kein „Helau“, kein „Alaaf“ – in den vergangenen zwei Jahren verordnet die Pandemie den Karnevalisten eine Zwangspause. Nun starten die Närrinnen und Narren auch in Gelsenkirchen wieder durch. Über ein schwieriges Comeback nach Corona.
Kein „Helau“, kein „Alaaf“ – in den vergangenen zwei Jahren verordnet die Pandemie den Karnevalisten eine Zwangspause. Nun starten die Närrinnen und Narren auch in Gelsenkirchen wieder durch. Über ein schwieriges Comeback nach Corona.

„Helau“: Tristan Timpert gehört zu den Gründungsmitgliedern der Buerschen Domfunken und ist Präsident der Gesellschaft. Foto: André Przybyl

Corona machte in den vergangenen zwei Jahren den Karnevalisten einen Strich durch die närrische Rechnung: Rosenmontagsumzüge und Sitzungen – allesamt abgesagt. „Jetzt haben die Leute Lust zu feiern, die Stimmung ist gut“, zieht Björn Tondorf, Präsident des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval, eine erste Bilanz der laufenden Session. „Für die Organisatoren ist die Arbeit jedoch deutlich schwieriger geworden als noch vor der Pandemie.“

Die jüngste – und das gleich im doppelten Sinne – der Gelsenkirchener Karnevalsgesellschaften kommt aus Buer: Erst seit knapp dreieinhalb Jahren gibt es die Buerschen Domfunken. Der Verein senkt außerdem den Altersdurchschnitt im Karneval: „Abgesehen von den Tanzgruppen sind die meisten Karnevalisten auf den Sitzungen älteren Semesters“, sagt Domfunken-Präsident Tristan Timpert. Anders sieht das bei den Domfunken aus: „Der Großteil unserer Mitglieder ist um die 30.“

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Wiege der Domfunken in Buerscher Pfarrei

Die Wiege der Gesellschaft liegt in der Buerschen Pfarrei St. Urbanus. „Ich bin selbst in der Pfarrei aktiv und sitze unter anderem im Pfarrgemeinderat“, berichtet Timpert. „Propst Markus Pottbäcker ist ebenfalls ein begeisterter Karnevalist und gehört zu den Gründungsmitgliedern unseres Vereins.“ Karneval und katholische Kirche sind für den 30-Jährigen kein Widerspruch. „Beides geht Hand in Hand“, sagt er. „Der Karneval, an dem wir ausgelassen feiern, läutet die Fastenzeit ein.“

Schon vor der Geburtsstunde der Gesellschaft mischen Vertreter der Pfarrei beim närrischen Treiben mit: „In zwei Sessionen waren wir mit einem eigenen Wagen und einer Fußgruppe beim Rosenmontagszug dabei und haben unseren ‚Mitsingabend‘ in Buer veranstaltet“, erzählt Timpert. „Einen Verein zu gründen war der nächste logische Schritt.“ Neben Timpert und Propst Pottbäcker hoben am 22. September 2019 weitere 14 Frauen und Männer, die sich in St. Urbanus engagieren, die Buerschen Domfunken aus der Wiege.

Zwangspause nach nur einer Session

Eine Session machte die Karnevalsgesellschaft mit – dann schobt die Corona-Pandemie dem närrischen Treiben einen Riegel vor. „Anfangs war es gar nicht so schlimm – wir mussten alle zunächst mit der Situation klarkommen“, erinnert sich Timpert. „Später wurde es allerdings schon hart.“ 

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Um das Vereinsleben nicht gänzlich zum Erliegen zu bringen, setzen die Domfunken auf digitale Formate. „Zu unserem wöchentlichen Stammtisch sind wir via Zoom zusammengekommen.“ Ferner veranstaltet die Gesellschaft ein Kneipen-Quiz, ebenfalls per Video-Konferenz. „Immerhin 15 Leute haben sich dafür angemeldet“, erzählt er. „Das war gar nicht schlecht.“

Noch keine Normalität

Nun hat das närrische Treiben wieder Fahrt aufgenommen. Von Normalität möchte Tristan Timpert aber noch nicht sprechen. „Normalerweise fangen wir nach Ostern an, die kommende Session zu planen“, erklärt er. „Die laufende mussten wir dagegen kurzfristig auf die Beine stellen – für langfristige Planungen war vieles zu unsicher.“ Mit dem diesjährigen Karnevalistischen Mitsingabend zeigt sich der Domfunken-Präsident trotz kurzer Vorbereitungszeit zufrieden. „Rund 100 Besucherinnen und Besucher sind gekommen – damit war der Abend nahezu ausverkauft.“

Ein Höhepunkt der laufenden Session ist für Timpert der Rathaussturm an Weiberfastnacht. „Morgens trifft sich zunächst das Prinzenpaar samt Gefolge auf dem Bahnhofsvorplatz“, berichtet Björn Tondorf. Von dort aus geht es in einem kleinen Zug zum Hans-Sachs-Haus, wo der Stadtschlüssel übergeben wird und am Abend eine Party steigt. „In kleinerem Rahmen planen wir auch einen Sturm auf das Rathaus in Buer“, verrät Tristan Timpert. „Daran werden aber nur wir, die Jecken vom Pütt und unser Karnevalsprinz teilnehmen.“ Ob das klappt, sei derzeit noch ungewiss.

Domfunken wollen nachhaltig wachsen

Neben seinem Posten als Präsident der Domfunken ist Tristan Timpert mittlerweile auch Vize-Präsident des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval. Die Domfunken sind auf 52 Mitglieder gewachsen. Zukünftig möchte der Verein weitere Veranstaltungen durchführen. „Das Kneipen-Quiz soll in einer Kneipe stattfinden.“ Eine eigene Tanzgarde will der Verein außerdem ins Leben rufen. „Es könnte eine Gruppe werden, die nur aus Männern besteht“, erklärt Timpert. „Das wäre mal etwas anderes.“ Auch eine Jugendgruppe könnte er sich vorstellen, „die dann in der Gesellschaft heranwächst“. Doch all das sei noch Zukunftsmusik. „Wir wollen langsam und nachhaltig wachsen“, sagt Timpert. „Zurzeit sind wir erst einmal im Corona-Comeback.“

Kein „Helau“, kein „Alaaf“ – in den vergangenen zwei Jahren verordnet die Pandemie den Karnevalisten eine Zwangspause. Nun starten die Närrinnen und Narren auch in Gelsenkirchen wieder durch. Über ein schwieriges Comeback nach Corona.

Hat die Nachfolge von Gerd Schwenzfeier angetreten: Björn Tondorf ist seit vergangenem Jahr Präsident des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval. Foto: André Przybyl

Seit zwölf Jahren steht Björn Tondorf der Karnevalsgesellschaft Erler Funken vor. „Durch den Schützenverein bin ich zum Karneval gekommen“, erzählt er. Von 2006 bis 2008 ist Tondorf Schützenkönig. „2007 habe ich einen Königsball veranstaltet“, erinnert er sich. „Der ist anscheinend so gut angekommen, dass im Anschluss eine Karnevalsdelegation zu mir gekommen ist.“  Ob er nicht Lust hätte, Karnevalsprinz zu werden, will die Abordnung wissen – er will. „2009 war ich Prinz und ein Jahr später bereits Präsident der Erler Funken.“

Tondorf: „Trete in riesige Fußstampfen“

Im vergangenen Jahr tritt er die Nachfolge von Gerd Schwenzfeier an, der 26 Jahre lang Präsident des Festkomitees Gelsenkirchener Karneval ist. „Der Karneval in Gelsenkirchen ist mit dem Gesicht von Gerd Schwenzfeier verbunden“, sagt Tondorf. „Ich trete also in riesige Fußstampfen.“ Beide Männer pflegten ein freundschaftliches Verhältnis. „Gerd unterstützt mich bei meinen Aufgaben.“

Jedoch wolle er gar nicht so sehr seinem Vorgänger nacheifern, sondern lieber eigene Wege gehen. „Da ich schon lange bei den Erler Funken aktiv bin, kennen mich viele Karnevalisten – gerade die Jüngeren.“ Das neue Führungsteam des Festkomitees sei eine Generation jünger als zuvor. „Die Jungs sind zwischen 30 und 60 Jahre alt“, sagt Tondorf. „Natürlich werden wir an das ein oder andere anknüpfen, aber auch Neuerungen einführen.“ So will der neue Präsident den Gelsenkirchener Karneval modernisieren, vermehrt auf soziale Medien setzen, neue Veranstaltungen einführen „und vor allem die Mitglieder stärker einbinden“.

Karnevalisten mit Nachwuchsproblemen

Denn wie andere Vereine hätten auch die Karnevalsgesellschaften damit zu kämpfen, Nachwuchs zu finden, der ehrenamtlich Aufgaben übernimmt. „In der Pandemie sind viele Mitglieder ausgetreten“, berichtet der Festkomitee-Präsident. „Die verbliebenen Ehrenamtlichen müssen nun die Aufgaben stemmen.“ Hinzu komme, dass die Kosten gestiegen seien. Für Björn Tondorf sei die Arbeit zurzeit „brutal“. „Hätte mir vor zwei Jahren jemand gesagt, was ich jetzt alles vor der Brust habe – ich hätte die Präsidentschaft vom Festkomitee dankend abgelehnt.“

Seine zurzeit größte Baustelle: der Rosenmontagszug, den traditionell das Festkomitee organisiert. „Anders als der vorherige Vorstand sind wir allesamt berufstätig“, berichtet Tondorf. „Ein 150-seitiges Sicherheitskonzept für den Umzug erstellt man aber nicht nebenbei.“ Hinzu käme, dass sich während der Pandemie bei Polizei und Stadtverwaltung die Ansprechpartner geändert hätten. „Zum Beispiel Karin Welge“, führt Tondorf näher aus. „Für sie ist es der erste Rosenmontagszug als Oberbürgermeisterin.“

Rosenmontagszug mit rund 610 Teilnehmern

Doch mittlerweile liefe die Abstimmung sehr gut. „Das Sicherheitskonzept wurde als gut befunden – wir müssen nur noch an einigen Stellschrauben drehen.“ Zahlreiche Anmeldungen für den Umzug würden dem Festkomitee bereits vorliegen. „Der Zug wird ähnlich wie im Jahr 2020“, berichtet Tondorf. Der Rosenmontagszug startet am 20. Februar um 14.30 Uhr an der Willy-Brandt-Allee. Über die Cranger Straße geht es dann bis zur Breite Straße, wo der Umzug nach rund zwei Stunden endet. An dem rund 300 Meter langen Zug nehmen laut Festkomitee Gelsenkirchener Karneval 610 Närrinnen und Narren teil. Zwölf Motivwagen, 20 Fußgruppen und drei Spielmannszüge sind dabei.

Bei den Buerschen Domfunken laufen die Vorbereitungen für den Höhepunkt der Session ebenfalls auf Hochtouren. „Wir sind mit einem eigenen Wagen und einer Fußgruppe beim Umzug dabei“, erzählt Tristan Timpert. Mit seinen Kostümen wolle der Verein das diesjährige Karnevalsmotto „Der ganze Ruhrpott Narrenland, das Herz, das schlägt am Emscherstrand“ aufgreifen. „Das kann zwar kalt werden, aber wir Karnevalisten sind hart im Nehmen“, sagt Timpert.

Domfunken wollen Pflege thematisieren

Wie genau der Wagen aussehen soll, steht noch nicht endgültig fest. „Vielleicht stellen wir das Thema Pflege dar“, verrät Timpert. Die Domfunken pflegten enge Kontakte zur St. Augustinus Gelsenkirchen GmbH, die in der Stadt unter anderem drei Krankenhäuser und drei Pflege-Einrichtungen betreibt. „Auf kurzem Dienstweg könnten wir so Pflegerinnen und Pfleger dazu aufrufen, sich als weitere Fußgruppe dem Rosenmontagszug anzuschließen.“

Björn Tondorf hofft, dass an Rosenmontag alles glatt läuft. „Wenn der Umzug vorbei ist, mache ich einen Haken an die Session“, erzählt er. „Und sage: Schön war’s.“

André Przybyl