Gelsenkirchen: Klosterschließung mit Folgen

Gelsenkirchen verliert eine weitere katholische Ordensgemeinschaft und damit auch einen Gottesdienststandort. Dies teilte die Pfarrei St. Augustinus am Samstagabend den Gläubigen mit. Unterdessen wächst die Unzufriedenheit in den Gemeinden der Stadt.
Gelsenkirchen verliert eine weitere katholische Ordensgemeinschaft und damit auch einen Gottesdienststandort. Dies teilte die Pfarrei St. Augustinus am Samstagabend den Gläubigen mit. Unterdessen wächst die Unzufriedenheit in den Gemeinden der Stadt.

Die Pfarrkirche St. Augustinus –Foto: rwm

Gelsenkirchen verliert eine weitere katholische Ordensgemeinschaft und damit auch einen Gottesdienststandort. Dies teilte die Pfarrei St. Augustinus am Samstagabend den Gläubigen mit. Demnach werden die Oblaten Endes des Jahres 2023 Gelsenkirchen verlassen. „Die Provinzleitung unserer Gemeinschaft hat sich, nach 103 Jahren unserer Präsenz vor Ort, schweren Herzens zu diesem Schritt entscheiden müssen“, so Pater Peter Eisenbart. Unterdessen wächst aus grundsätzlichen Gründen die Unzufriedenheit unter den Gläubigen.

Blick auf die Altersstruktur der Hausgemeinschaft

Die Oblaten danken der Gottesdienstgemeinde für ihre „lange Treue und Ihr Verständnis“. Der  Weggang falle nicht leicht. „Wir hoffen, dass wir die verbleibende Zeit gut miteinander gestalten können und dann hoffnungsvoll nach vorne blicken. Der Abschied ist für den Christkönigssonntag, am 26. November 2023, geplant.“ Ein Blick auf die Altersstruktur der Hausgemeinschaft erkläre die Gründe für diesen Schritt „beinahe selbstredend“.

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Bis auf  Eisenbart sind alle Mitglieder der Kommunität im Rentenalter. „Von uns sieben Oblaten sind jeweils zwei älter als 90, 80 und 75 Jahre. Da in naher Zukunft keine jüngeren Mitbrüder für Gelsenkirchen zu erwarten sind und die Rahmenbedingungen vor Ort zunehmend schwieriger werden, ist dieser Schritt leider unvermeidlich“. Peter Eisenbart trat 1982 in den Orden der Hünfelder Oblaten ein. 1988 schloss er sein Studium in Mainz ab und wurde ein Jahr später zum Priester geweiht. Nach seiner Kaplanszeit in Biberach führte ihn sein Weg nach Afrika. Dort war er zwölf Jahre an vier Missionsorten in Namibia tätig. Gesundheitliche Gründe zwangen ihn zur Rückkehr nach Deutschland, seither ist er in Gelsenkirchen.

Weiterer Schlag für die Katholiken in Gelsenkirchen

Auch die Möglichkeit, das Haus mit einer angedachten erneuerten Aufgabenstellung weiterzuführen, habe sich als nicht durchführbar erwiesen. Die Schließung der Niederlassung zum Jahresende sei daher in der gegenwärtigen Situation „leider alternativlos, auch wenn wir sie sehr bedauern“. Das Koordinierungsteam sei über die Entscheidung informiert und werde „für die Zukunft der Gemeinde vor Ort Sorge tragen“. Doch mit der Schließung des Oblatenklosters werden freilich auch die Gottesdienste in der dortigen Kapelle wegfallen.

Die Nachricht ist ein weiterer schwerer Schlag für die Katholiken in Gelsenkirchen, die derzeit mit einer Welle von Kirchenschließungen konfrontiert werden. So wird in wenigen Wochen die denkmalgeschützte Kirche St. Joseph im Stadtteil Ückendorf aufgegeben, die Franziskaner verlassen die Stadt. Im Sommer soll, was bislang öffentlich noch nicht breit kommuniziert wurde, die katholische Kirche Herz Jesu in Hüllen aufgegeben werden. Hier will die Pfarrei St. Augustinus versuchen, künftig in einer ökumenischen Lösungen Gottesdienste in der örtlichen evangelischen Kirche anzubieten.

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Der Frust ist groß, die Kräfte schwinden

Derweil wächst die Unzufriedenheit in der Pfarrei St. Augustinus, wie aus den Gemeinden und Gremien der Pfarrei zu hören ist. So fehle es einerseits an wahrnehmbaren pastoralen Initiativen, andererseits wird eine mangelhafte Diskussionskultur bemängelt. Die sogenannten Verantwortungsgremien, in denen die Laiinnen und Laien an den Entscheidungen der Pfarreien beteiligt werden müssen, „immer mehr nur noch zum Abnicken da“, wie es ein Insider  der Wochenzeitung Neues Ruhrwort berichtet.

Tiefergehende Diskussionen fänden kaum mehr statt. Von dem Weg zu einer wirklichen Synodalität, wie sie ja im Bistum Essen  propagiert werde, sei dies weit entfernt. Auch Propst Markus Pottbäcker, der allgemein als sympathisch und umgänglich beschrieben wird, steht hierbei in der Kritik. Dieser sei nur noch „wenig kritikfähig“, was wohl an einer offenkundigen zunehmenden Überforderung liege, zugleich auch die Propstei St. Urbanus leiten zu müssen, wie ein Kenner der Pfarrei dem Neuen Ruhrwort sagte: „Der Propst ist völlig überlastet, bestreitet dies aber.“ Ähnliche Stimmen sind indes auch aus der Pfarrei St. Urbanus zu hören. Auffällig sei auch eine teilweise starke Fluktuation in beiden Pastoralteams.

Andererseits fehlt es den Gläubigen, zumal in einer in der Sozialstruktur schwachen Stadt wie Gelsenkirchen, offenbar an einer Sprachfähigkeit, ihre Anliegen auch öffentlich zu äußern. Die immer kleiner werden Kreise hätten dazu nicht mehr die Kraft, seien teilweise frustiert oder stießen auf Widerstand, sagt der Insider. Große Proteste gegen Kirchenschließungen sei da nicht zu erwarten. All dies spiele der faktischen Kahlschlagsplanung des Pfarreientwicklungsprozesses weiter in die Hände. Dieser solle zwar grundsätzlich von pastoralen Erwägungen ausgehen, letztlich seien aber nur wirtschaftliche Kriterien entscheidend. Auch eine Klerikerzentrierung sei nicht überwunden, wenn Kirchenschließungen mit dem Priestermangel begründet würden. Dabei seien in beiden Pfarreien Laiinnen und Laien zur Leitung sogenannter Wort-Gottes-Feiern ausgebildet worden.