Handelstag diskutiert über zukunftsfähige Innenstädte

Um „zukunftsfähige Innenstädte“ und die Frage, ob ein „immer schneller, höher, weiter“ noch angebracht ist, ging es beim 11. IHK-Handelstag NRW in Gelsenkirchen.
Handelstag diskutiert über zukunftsfähige Innenstädte

Wie Innenstädte zukunftsfähig bleiben, darüber diskutierten beim IHK-Handelstag NRW unter anderem (v.l.) Dr. Oliver Breiden, Kathrin Goedecke,, Sven Schulte und Jens von Lengerke –Foto: Pöhnert/IHK

Um „zukunftsfähige Innenstädte“ und die Frage, ob ein „immer schneller, höher, weiter“ noch angebracht ist, ging es beim 11. IHK-Handelstag NRW in Gelsenkirchen. Vertreterinnen und Vertreter aus Handel, Politik und Stadtplanung hinterfragten im Veranstaltungshaus Heilig-Kreuz-Kirche, ob das vielerorts wahrnehmbare Streben nach größeren Verkaufsflächen und Einkaufsquartieren oder das Festhalten an Handelsgroßimmobilien noch zeitgemäß ist. Auch die Digitalisierung stand, wie die IHK Nord Westfalen mitteilte, auf dem Prüfstand.

„Weniger ist mehr – der Realität ins Auge sehen“ lautete der Titel des Begrüßungsinterviews. Für Kathrin Gödecke gehört zu dieser Realität, dass in der Emscher-Lippe-Region jede Stadt ihre besondere Stärke hervorheben muss. Die Vizepräsidentin der IHK Nord Westfalen kann sich verschiedene „Kompetenzzentren“ im Ruhrgebiet vorstellen, Städte beispielsweise mit Schwerpunkten im Handel, in der Gastronomie oder im Wohnen. „In Bottrop hat sich zum Beispiel eine Gastromeile gebildet“, berichtete sie aus ihrer Heimatstadt, in der sie zwei Supermärkte betreibt. Mit einem, dem im Bergbau-Stil eingerichteten „Ruhrpott-Rewe“, hat sie für viel Furore unter anderem in Sozialen Medien gesorgt. „Jeder Einzelhändler sollte überlegen, was er tun muss, um seine Produkte weiter zu verkaufen“, warb Gödecke für Kreativität, um gegen Online-Handel und große Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu bestehen. In ihrer Branche seien Selbstbedienungs-Supermärkte ein Thema, gerade um die Bevölkerung im ländlichen Raum zu versorgen. Nicht unbedingt kleiner, sondern spezialisierter sollte der Handel sich aufstellen, folgerte sie.

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Wie Leben in einem eher schwierigen Viertel einzieht, dafür lieferte der Veranstaltungsort des IHK-Handelstags NRW ein gutes Beispiel. „Das Quartier rund um die Heilig-Kreuz-Kirche zeigt, dass wir für eine erfolgreiche Revitalisierung innovativ denken sollten“, erklärte Gelsenkirchens Stadtbaurat Christoph Heidenreich. Dies gelang im Viertel an der Bochumer Straße dadurch, dass der Fokus auf die Ansiedlung von Kreativ- und Digitalwirtschaft gelegt wurde. „Ein Aufbruch muss nicht immer plötzlich und groß sein. Auch viele kleine Schritte führen zum Ziel“, warb er für einen langen Atem. Frequenzen für den Handel entstehen nicht nur durch den Handel, so eine These des IHK-Handelstags NRW – eine Sicht, die Heidenreich bestätigte. In Leerständen großer Kaufhäuser sah er auch Potenziale, um mehr Nutzungsmischung in die Innenstädte zu bringen, „etwa durch Kultur, Bildungseinrichtungen oder den Umbau zu Wohnraum“.

Smarte Quartiere und Geschäfte sind eine Antwort auf die zunehmende Digitalisierung auch der Kundschaft – ein Smartphone habe fast jeder mit dabei, stellte Christoph Berger fest. „Der Handel ist immer dann erfolgreich, wenn er seine Kunden direkt anspricht“, unterstrich der Vorsitzende des Handelsausschusses der IHK Nord Westfalen. Ist der Kunde digital, dann muss es auch der Handel sein. In seinem Modehaus in Warendorf hilft Künstliche Intelligenz hinter den Kulissen bei der Bestellung der Waren und sorgt dafür, dass stark Nachgefragtes verfügbar bleibt. Messungen der Frequenz in der Innenstadt und im Geschäft, kombiniert mit Daten aus dem Kassensystem verbessern die Personaleinsatzplanung. Einziger Haken: „Kundenzahlen lassen sich derzeit nur recht kurzfristig genau prognostizieren, weil das Wetter eine zu große Rolle spielt.“

Ahaus entwickelt sich bereits zur Digital City. Die Stadt und das Unternehmen Tobit zeigen, wie Digitalisierung die Aufenthaltsqualität steigert. Ob Freizeit, Touristik, Handel oder Gastronomie: Alle Angebote sind über eine zentrale Plattform miteinander vernetzt und per App abrufbar, erläuterte Dieter van Acken als Botschafter der Tobit.Software.Labs. Auch mxr Storytelling aus Gelsenkirchen will Technologie möglichst vielen zugänglich machen. Das Studio setzt auf „Digitalität, Kultur und nachhaltige Stadtentwicklung“, bringt Augmented und Virtual Reality in Musikschulen, auf Festivals und sogar auf einen virtuellen Ruhrschnellweg. Geschäftsführer Matthias Krentzek stellte einige Projekte vor.

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Nach einem Faktencheck mit Vertreterinnen und Vertretern von vier Landtagsfraktionen wandte sich Sven Schulte, Fachpolitischer Sprecher für Stadtentwicklung und Handel von IHK NRW, direkt an die Politik. „Wir brauchen flexiblere Rahmenbedingungen und unkomplizierte Genehmigungsprozesse“, erklärte er. Die Politik sollte auch auf wirksame Fördermaßnahmen setzen, um smarte Projekte voranzubringen. Und nicht zuletzt: „Das Thema Sonntagsöffnung bleibt ein Puzzlestück erfolgreicher Stadtentwicklung.“