Landtagswahl: Welche Aussichten haben die Gelsenkirchener Kandidaten?

Landtagswahl: Welche Aussichten haben die Gelsenkirchener Kandidaten?

Gut sieben Wochen vor der Landtagswahl am 15. Mai ist in Gelsenkirchen von Wahlkampf noch wenig zu spüren. Die Direktkandidatinnen und -kandidaten im Überblick.
Gut sieben Wochen vor der Landtagswahl am 15. Mai ist in Gelsenkirchen von Wahlkampf noch wenig zu spüren. Die Direktkandidaten im Überblick.

Landtagswahlen am 15. Mai; –Symbolbild: pixabay

Bleibt Hendrik Wüst (junger) Landesvater? Am 15. Mai steht in Nordrhein-Westfalen die Landtagswahl ins Haus. Und aktuelle Umfragen sehen im März 2022 die CDU mit ihrem Ministerpräsidenten mit 32 Prozent (64 Sitze) der Stimmen immerhin in der Wählergunst klar vorne. Die SPD liegt demnach bei 27 Prozent (54 Sitze), gefolgt von den Grünen mit 17 Prozent (34 Sitze). Die Liberalen kämen laut Umfragen auf acht Prozent und zögen demnach mit 16 Abgeordneten wieder in den Landtag ein.
Eine Fortsetzung der derzeitigen CDU-FDP-Koalition in Düsseldorf aber wäre damit nicht mehr möglich. Denn gegenüber dem Wahlergebnis von 2017 hätten die Liberalen 4,2 Prozentpunkte eingebüßt. Fast genauso viel übrigens wie die Sozialdemokraten (-4,6), mit denen die Partei ja zusammen auf Bundesebene in der Ampel-Koalition mitregiert. In diesen Zahlen schwingt wohl auch ein Zwischenzeugnis für die Performance der Parteien in den ersten knapp 100 Berliner Regierungstagen mit.

Die Grünen sind Königsmacher

Die Dritten im Bundesbunde hingegen, Bündnis 90/Die Grünen, haben mit 10,6 Prozentpunkten im Vergleich zur Landtagswahl 2017 ordentlich zugelegt. Und damit hätten sie im Grunde die freie Wahl: ob Schwarz-Grün oder eine  weitere Ampel – mit einer zum Juniorpartner geschrumpften FDP. Eine schwarz-rote Konstellation scheint in NRW derzeit nicht denkbar. Auf die Rolle einer Landesmutter muss sich die in der breiten Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Grünenchefin Mona Neubaur als Spitzenkandidatin nicht vorbereiten.
Solcherart Umfragen sind freilich immer nur Momentaufnahmen. Und Meinungsforschungsinstitute betonten stets selbst, dass das eigentliche Wahlergebnis nur eingeschränkt vorausgesagt werden kann. Gut sieben Wochen vor der Wahl ist in Gelsenkirchen von einem Wahlkampf allerdings noch wenig zu spüren – mit Ausnahme eines ersten Schlagabtausches zwischen örtlicher CDU und SPD über die Zukunft der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, die Gelsenkirchen nach Lage der Dinge an Herne verlieren könnte.

Neues Gesicht bei der SPD

Bei der SPD ist man traditionell siegesgewiss. Die beiden Gelsenkirchener Wahlkreise gelten als SPD-Hochburgen. Bei der Landtagswahl 2017 holte die SPD in beiden Wahlkreisen immerhin noch jeweils mehr als 40 Prozent der Stimmen. Die Zeiten absoluter Mehrheiten sind jedoch vorbei. Doch zumindest im Stadtnorden können die Sozialdemokraten nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass die Wahlen und vor allem das Rennen um das Direktmandat zum Selbstläufer wird. Das liegt weniger daran, dass der Wahlkreis einen neuen Zuschnitt bekommen hat und um das Stadtgebiet von Gladbeck angewachsen ist: Auch die Nachbarstadt wählt traditionell mehrheitlich SPD. Nach 17 Jahren als Abgeordnete im Landesparlament aber tritt Heike Gebhard nicht mehr für eine weitere Legislaturperiode an. An ihrer Stelle schickt die SPD nun Christin Siebel ins Rennen.
Die 37-jährige gelernte IT-Systemkauffrau und jetzige Gewerkschaftssekretärin, ehrenamtlich Vorsitzende der örtlichen SPD-Jugendorganisation „Die Falken“, ist indes außerhalb ihrer eigenen Bubble kaum bekannt und hat noch kein wahrnehmbares politisches Profil. Über die Landesliste (Platz 50) ist sie faktisch nicht abgesichert. Mit der Kür Siebels setzt sich bei den Gelsenkirchener Sozialdemokraten ein Trend fort, der sich so ähnlich übrigens auch bei anderen beobachten lässt: Die Parteien setzen auf Kandidatinnen oder Kandidaten, die kaum oder sogar keine Berufserfahrung außerhalb ihres eigen politischen Umfeldes aufweisen können.

Wahlkampf eröffnet

Die CDU setzt in diesem Wahlkreis unterdessen auf  Markus Karl. In Gelsenkirchen ist der 54-jährige Sparkassenangestellte als Kommunalpolitiker bekannt. Karl ist bildungspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und stellvertretender Fraktionschef. Er sitzt als Stadtverordneter im Rat der Stadt, im Hauptausschuss, im Gesundheitsausschuss sowie im Bildungsausschuss. Karl, seit 1990 Partei-Mitglied, ist Vorsitzender der CDU-Erle. Er ist sichtlich gewillt, seine Außenseiterchance zu suchen und sich nicht nur als Zählkandidat zu betrachten: Den örtlichen Wahlkampf hat er bereits am 17. März zusammen NRW-Kommunalministerin Ina Scharrenbach mit einer öffentlichen Diskussionsrunde im Michaelshaus eröffnet.  Auf der Landesliste steht er auf verlorenem Posten.
Der 25-jährige Niklas Witzel indes, faktisch ein Verlegenheitskandidat, der für die Bündnisgrünen im Stadtnorden antritt, steht noch nicht einmal auf der Landesliste. Der angehende Erzieher hat seine politischen Schwerpunkte in den Bereichen Queerpolitik, Sport und Bildung. Witzel sitzt seit 2020 in der Bezirksvertretung Nord sowie als sachkundiger Bürger im Ausschuss für Sportentwicklung. Auf Landesebene ist er innerhalb der Grünen Mitglied der Landesarbeitsgemeinschaft Queer aktiv.

Sebastian Watermeier tritt erneut bei der Landtagswahl an

Im Stadtsüden steht für die SPD erneut Sebastian Watermeier zur Wahl. Der Ückendorfer eroberte bei der Landtagswahl 2017 das Direktmandat. Der 37-Jährige hat in Münster Geschichte studiert und macht seit 2014 hauptberuflich Politik. In der SPD-Landtagsfraktion ist Watermeier Sprecher für Europa und Internationales, außerdem ist er Mitglied im Ausschuss für Digitales und Innovation. In Gelsenkirchen ist er stellvertretender Vorsitzender der Sozialdemokraten. Mit Listenplatz 93 ist er nicht abgesichert.
Gegen Watermeier tritt Michael Schmitt (24) für die CDU an. Der Jura-Student ist im Februar 2021 für den langjährigen Stadtverordneten Wolfgang Heinberg in den Rat der Stadt nachgerückt. Zudem ist er Mitglied im Ordnungsausschuss, Sozialausschuss und Rechnungsprüfungsausschuss. Er steht als Vorsitzender an der Spitze des CDU-Ortsverbandes Neustadt. Auf der Landesliste ist er ohne Aussichten auf Einzug in den Landtag.

Ein aussichtsreicher Listenplatz für Bostancieri

Ganz anders Nachwuchspolitikerin Ilayda Bostancieri (Die Grünen), die über einen aussichtsreichen Listenplatz (27) verfügt: Wenn die Partei ihre Umfragewert hält, dürfte Bostancieri wohl in den Landtag einziehen. Die 26-jährige ist seit 2020 Stadtverordnete und stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Sie ist Mitglied im Ausschuss für Kultur, Tourismus und urbane Szene sowie im Integrationsrat. Die Familienhelferin studiert soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Armut und Migration – Themen, die sie neben Geschlechter- und Chancengleichheit in ihrer politischen Arbeit herausstellt.
Der FDP-Kandidat im Wahlkreis Nord kennt das Procedere einer Landtagskandidatur: Ralf Robert Hundt geht erneut für die Liberalen ins Rennen. Der 57-Jährige trat 2017 noch im Wahlkreis Süd an und holte für die Liberalen 6,99 Prozent der Erststimmen. Seit 2020 ist er Stadtverordneter im Rat der Stadt Gelsenkirchen und Mitglied im Stadtentwicklungs- und Planungsausschuss. Er ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP-Ratsfraktion. Hundt ist seit über 20 Jahren selbstständig in der Immobilienwirtschaft tätig. Er setzt auf die Themen Sicherheit und Digitalisierung und den Kampf gegen No-Go-Areas.
Im Wahlkreis Süd gehen die Liberalen mit Isabell Scharfenstein ins Rennen. Die Grundschullehrerin bewirbt sich zum ersten Mal um einen Sitz im Landtag. Die 30-Jährige sitzt in der Bezirksvertretung Süd sowie als sachkundige Bürgerin im Ausschuss für Soziales und Arbeit. Ihren Themenschwerpunkt sieht Scharfenstein im Bildungsbereich, auch möchte sie sich für Digitalisierung und Entbürokratisierung einsetzen.

Die Linke muss bangen

Auch Friedhelm Rikowski von der AfD tritt zum zweiten Mal an. Der Kandidat im Wahlkreis Nord hatte bereits 2017 den Ring ins Rennen geworfen, da allerdings im Süden der Stadt. Bei der Wahl 2017 konnte Rikowski knapp 14 Prozent der Stimmen für sich holen. Der 66-jährige sitzt unter anderem im Rat der Stadt und der Bezirksvertretung Mitte. Über die Landesliste ist Rikowski nicht abgesichert.
Im Gegensatz zu seiner Mitstreiterin Enxhi Seli-Zacharias, die für die AfD im Wahlkreis Süd antritt: Sie  arbeitet bei der AfD-Landtagsfraktion als „Referentin für Schule und Bildung“. Seli-Zacharias ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende der AfD-Ratsfraktion Gelsenkirchen. Zudem ist sie Mitglied im Integrationsrat, im Ordnungsausschuss und in der Bezirksvertretung Mitte. Nach Parteiangaben möchte die gebürtige Albanerin  gegen „die Erosion des Rechtsstaates“ angehen. Seli-Zacharias hat auf der AfD-Landesliste mit Platz sieben einen aussichtsreichen Platz – sie ist die einzige Frau unter den ersten zehn Plätzen auf der AfD-Landesliste. Nach den aktuellen Umfragen – sechs Prozent (Minus 1,4 Prozentpunkte) – wäre sie im Parlament.

Volt will nun auch in den Landtag

Die Linke liegt in Umfragen derzeit bei etwa drei Prozent und wäre damit deutlich unter der Fünf-Prozent-Hürde. Die Kandidaten der Linken haben damit kaum Chancen auf einen Einzug in den Landtag. Im Wahlkreis Nord geht mit Philipp Euler der einzige Nicht-Gelsenkirchener ins Rennen. Der 29-jährige Gladbecker ist seit 2009 Parteimitglied. Er ist seit 2012 Sprecher der Linken in Gladbeck. Ehrenamtlich ist er bei der Freiwilligen Feuerwehr. Im Süden stellt sich Jonas Selter für die Linken zur Wahl. Der 27-Jährige studiert Journalismus und Public Relations an der Westfälischen Hochschule in Gelsenkirchen. Seit 2019 ist er Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Linken, seit 2021 Teil der Doppelspitze. Er ist sachkundiger Bürger im Umweltausschuss.
Im EU-Parlament ist sie schon, jetzt tritt die junge Partei Volt erstmals auch bei einer Landtagswahl in NRW an, spielt in Umfragen aber keine Rolle. Für den Wahlkreis Nord bewirbt sich Timm Schobert (30). Der gebürtige Eisenacher hat Niederlandistik und Geschichte studiert und arbeitet als Medienanalyst. Laut Parteiangaben setzt sich Schobert vor allem für soziale Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung und Ausgrenzung ein.
Im Süden der Stadt möchte Kai Bastek das Direktmandat für Volt erringen. Der 43-jährige arbeitet als Finanzermittler bei der Polizei. Innere Sicherheit zählt neben Familienpolitik zu seinen Schwerpunkten.
spe/mk