Musiktheater: Die befreite Leonore
Die Komponistin Charlotte Seither befreit Ludwig van Beethovens „Fidelio“ und macht aus der einzigen Oper des Komponisten eine „Befreiungs- und Rettungsoper“.
Die Komponistin Charlotte Seither befreit Ludwig van Beethovens „Fidelio“ und macht aus der einzigen Oper des Komponisten das, was sie nach seinem Willen immer sein sollte: eine „Befreiungs- und Rettungsoper“. Wo das Original im ersten Akt mit der biedermeierlichen Dreiecksgeschichte zwischen der verkleideten Eleonore, Jaquino und Marzelline der Konvention seiner Zeit folgt und erst mit dem Eintritt des Politischen zu seinem freigeistigen und revolutionären Gestus findet, setzt Seither das Skalpell an. In der Form einer Dialog-Oper diskutiert sie mit Beethoven über die Zeiten hinweg Fragen von Freiheit, Individuum und Macht. Am Sonntag, 12. Mai, 16 Uhr, Großes Haus erlebt Charlotte Seithers Beethovenüberschreibung ihre Uraufführung am Musiktheater im Revier.
Fidelio schweigt. beginnt da, wo auch Beethoven zum Thema kommt: Im letzten Drittel des ersten Aktes mit dem Gefangenen Florestan in der Gewalt des Tyrannen Don Pizarro. Gleichzeitig wird Leonore von ihrer Verkleidung als Fidelio befreit. Die Frau als Handelnde, die zur Entstehungszeit noch kaum vorstellbar war, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Sie begibt sich selbstbewusst in Pizarros Machtzentrum und kämpft mit offenem Visier für die Freiheit und das Leben Florestans. Ihr zur Seite steht ein Frauenchor, den Charlotte Seither und ihr Librettist Hermann Schneider hinzuerfunden haben, um den weiblichen Perspektiven in der Oper mehr Raum zu verleihen.
Das Besondere der Überschreibung ist, dass Charlotte Seither kaum in Beethovens Partitur eingreift. Stattdessen setzt sie, wie die Komponistin es selbst beschreibt, „klare vertikale Schnitte, in die ich meine eigene Musik hineinbaue. Mir war wichtig, dass beides, Beethovens Originalnummern wie auch meine Musik, bis auf den allerletzten Schluss weitgehend ,pur’ erklingen.“ Das bedeutet auch, dass Seither in den Einschüben sich und ihrer Klangsprache immer treu bleibt: „Zitate, Anekdotisches, wie auch jede Art von historisierendem Kunsthandwerk lehne ich ab.“ Die Oper Fidelio schweigt. ist genauso purer Ludwig van Beethoven wie pure Charlotte Seither und erzählt eine zeitlose Geschichte von Machtmissbrauch, individueller Selbstermächtigung und der politischen Dimension von Beziehungen mit einer heutigen Perspektive.
Die Uraufführung des Auftragswerk des Musiktheater im Revier war anlässlich des Beethovenjahrs BTHVN2020 geplant, musste jedoch seinerzeit wegen Corona verschoben werden.
Karten sind zu Preisen ab 15 Euro an der Theaterkasse Montag und Samstag von 10 bis 14 Uhr und Dienstag bis Freitag von 10 bis 18.30 Uhr sowie per E-Mail an theaterkasse@musiktheater-im-revier.de oder telefonisch unter 0209.4097-200 erhältlich.