Sängerin von Frida Gold: „Ich traue den Zuhörern mehr zu“

Sängerin von Frida Gold: „Ich traue den Zuhörern mehr zu“

Bei „Rock am Dom“ spielen Frida Gold vor Tausenden von Zuschauern. Im Interview spricht Sängerin Alina Süggeler über die Corona-Pandemie und deren Folgen für die Band und warum sie lieber mit dem Herzen spricht, als den Markt zu bedienen.
Bei „Rock am Dom“ spielen Frida Gold vor Tausenden von Zuschauern. Im Interview spricht Sängerin Alina Süggeler über die Corona-Pandemie und deren Folgen für die Band und warum sie lieber mit dem Herzen spricht, als den Markt zu bedienen

Frida Gold: Alina Süggeler und Andreas „Andi“ Weizel

 

Mit „Wovon wollen wir träumen“ gelingt Frida Gold 2011 der Durchbruch. Weitere Lieder und Alben wie „Liebe ist meine Rebellion“ stürmen ebenfalls die deutschen Charts. 2016 wird es ruhig um die Band. Im vergangenen Jahr meldet sich das Duo Alina Süggeler und Andreas „Andi“ Weizel mit ihrem mittlerweile vierten Album „Wach“ zurück – und war Headliner beim diesjährigen „Rock am Dom“ in Buer. Im Interview spricht die Frida-Gold-Frontfrau über die Corona-Pandemie und deren Folgen für die Band und warum sie lieber mit dem Herzen spricht, als den Markt zu bedienen.

„Die Menschen machen’s“, hast Du gerade gesagt. Wie sehr hast Du das Publikum während der Pandemie vermisst?

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Alina Süggeler: Die Bühne hat mir gar nicht so sehr gefehlt. Zwar macht es mir Spaß, Konzerte zu geben – aber es gibt bestimmt Künstler, die mehr darunter gelitten haben als ich. Den Kontakt zu anderen habe ich allerdings schon sehr vermisst. Der Kontakt durch unsere Musik ist eine der schönsten Verbindungen, die ich kenne.

Konntet Ihr den Kontakt trotzdem aufrechterhalten?

Süggeler: Wir haben uns ein paar Dinge einfallen lassen. Ich habe vor einiger Zeit noch in einem Loft in Bochum gewohnt. Auf dem Flachdach haben wir Konzerte für die Nachbarn gegeben. 

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Habt Ihr die Pandemie finanziell gespürt?

Süggeler: Definitiv. Wir sind richtig aus der Zeit gefallen. Eigentlich sollte 2020 unser neues Album erscheinen. Die Veröffentlichung mussten wir verschieben, weil wir gemerkt haben, dass die Songs nicht richtig greifen, wenn wir sie nicht live spielen. Und so haben wir das Album verschoben und verschoben. Das war wie ein Hamsterrad. Wenn du einmal aus dem Zyklus raus bist, findest du nur schwer wieder hinein. Wenn die Songs fehlen, kommen auch keine Live-Anfragen und so weiter. Wir fangen jetzt gerade erst wieder an, neue Songs zu veröffentlichen.

Kamen bei euch Zweifel auf, weiter Musik zu machen?

Süggeler: Total, das ist uns allen doch so gegangen. Wir hatten viel mehr Zeit zu reflektieren, ob sich unser Leben so anfühlt, wie wir es uns mal vorgestellt haben. Aber es hat Andi und mir geholfen, unsere Motivation zu hinterfragen. Wie ernst meinen wir es, wie gerne machen wir unsere Musik? Wir haben für uns entschieden: Ja, das ist es, was wir machen wollen.

Schon vor der Pandemie, nach eurem dritten Album, ist es 2016 ruhig um euch geworden. Warum kam es zu diesem Bruch?

Süggeler: Wir haben uns damals von der Ursprungsband getrennt, was viel verändert hat. Wir hatten ziemlich lange duschgepowert. Das war der Kunst nicht dienlich. Man muss leben, um etwas zu haben, wovon man erzählen kann. Die persönliche und thematische Weiterentwicklung ist wichtig – sonst fängst du an, dich zu wiederholen.

Hattet Ihr keine Angst, den Anschluss zu verpassen?

Süggeler: Na klar. Doch ich bin zufrieden mit dem, wo wir zurzeit stehen. Wir machen zum ersten Mal alles selbst. Musik und Texte haben wir bereits zuvor geschrieben. Doch nun haben wir keine große Plattenfirma im Hintergrund. 

Warum kam es zu der Trennung?

Süggeler: Die Musikbranche hat sich stark verändert. Wir konnten die Motivation dahinter nicht mehr vertreten. Es hat unheimlich viel Mut gekostet, uns von diesem Überbau zu verabschieden. Doch langfristig war es für uns der einzige Weg, um die Freude an dem, was wir machen, zu behalten. 

Wie sieht die Motivation der großen Plattenfirmen aus?

Süggeler: Der Profit steht im Vordergrund. Doch wir haben eine Botschaft für die Menschen. Gestern haben wir den Song „Ich habe keine Angst davor, dass die Welt sich weiterdreht“ veröffentlicht. Der ist 5,20 Minuten lang. Jede Plattenfirma hätte uns gesagt, dass er nicht in die Zeit passt. Da muss man sich entscheiden: Möchtest du mit deinem Herzen sprechen oder passgenau den Markt bedienen? Die Musikbranche gibt vor, dass die Menschen nur eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne haben und nur flache Themen ankommen. Ich traue den Zuhörer mehr zu. Ich glaube, dass die Menschen Lust auf tiefere Gefühle und ernste Gedanken haben. Wir alle haben Sorgen. Wenn wir diese teilen, wird es für uns leichter, als wenn wir sie nur verdrängen.

Du hast bereits erwähnt, dass nur noch Andi und Du von der Ursprungsband übrig geblieben sind. Ihr beide wart mal ein Paar. Gibt es Probleme, so eng mit dem Ex zusammenzuarbeiten?

Süggeler: Nein, wir würden auch gar nicht von Ex sprechen. Es gibt manchmal Begegnungen, bei denen vertut man sich mit dem Gefühl und spricht vorschnell von Beziehung. Ich glaube, wir waren schon immer dazu bestimmt, gemeinsam unsere kreative Partnerschaft zu leben und einander ein guter Begleiter zu sein.

Ihr kommt aus dem Ruhrgebiet. Seinerzeit seit ihr nach Berlin gegangen und später wieder zurückgekehrt. Was hat das Ruhrgebiet, was die Bundeshauptstadt nicht hat?

Süggeler: Das aufrichtig Authentische hat mir gefehlt. Dafür ist das Ruhrgebiet bekannt. Hier fühle ich mich verstanden, Zuhause und gut aufgehoben. 

Nun seit Ihr Headliner bei „Rock am Dom“. Euer erster Auftritt in Gelsenkirchen?

Süggeler: Ich war tatsächlich noch nie hier.

Was versprichst Du Dir von dem Auftritt?

Süggler: Menschen zu treffen, die ich noch nicht kenne und den Moment gemeinsam zu gestalten. Jeder einzelne, der dort heute Abend steht, hat sich dafür entschieden, seine Zeit mit uns zu verbringen. Allein darauf freue ich mich.

André Przybyl