Impfzentrum: „Wir könnten schon längst loslegen“
Seit Mitte Dezember steht das Impfzentrum Gelsenkirchen in den Startlöchern. Was fehlt, ist der Impfstoff. Wenn es nun am 8. Februar losgeht, werden zunächst nur Nachmittagsschichten gefahren.
Rund 1.000 Impfdosen sollen für Gelsenkirchen am 8. Februar zur Verfügung stehen. „Wir hoffen, ab diesem Zeitpunkt jede Woche diese Menge zu bekommen“, erklärt Ansgar Stening von der Gelsenkirchener Feuerwehr. Er ist technischer Leiter des Impfzentrums. Allerdings ändere sich aktuell nichts so schnell wie Zuteilung und Absage des Impfstoffs.
Starttermin erneut verschoben
Seit Beginn der Impfungen koordinieren er und drei weitere städtische Mitarbeiter die mobilen Impfteams in den Pflegeeinrichtungen sowie die Aktivitäten rund ums Impfzentrum. Unterstützt werden sie dabei von der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), die für das medizinische Personal in der Emscher-Lippe-Halle verantwortlich ist.
„Das Impfzentrum haben wir vom 4. bis 15. Dezember aufgebaut“, berichtet Stening. Ursprünglich sind die Verantwortlichen davon ausgegangen, am 1. Januar zu starten. Dann war der 1. Februar gesetzt. Doch auch dieser Termin wurde erneut verschoben – auf den 8. Februar. „Wir könnten schon längst loslegen“, erklärt Stening. Es scheitere allein am Impfstoff.
Drei Impfstraßen am Anfang
„Insgesamt sechs Impfstraßen sind in der Emscher-Lippe-Halle aufgebaut“, berichtet Dr. Klaus Rembrink. Der Urologe ist ärztlicher Standortleiter des Impfzentrums. „Am 8. Februar werden wir allerdings nur mit dreien starten.“ Dies sei vom NRW-Gesundheitsministerium so vorgegeben. „Die Anzahl richtet sich nach der Einwohnerzahl einer Stadt und der Menge an Impfstoff, die zur Verfügung steht.“ Zwei Impfstraßen seien zu Beginn das Minimum. „Große Kommunen wie Dortmund starten mit sieben.“ Laut Ansgar Stening könnte die Emscher-Lippe-Halle auf bis zu acht Impfstraßen ausgebaut werden.
Im Viertelstunden-Takt werden Termine zunächst nur am Nachmittag vergeben. „Wir müssen strategisch denken“, erläutert Dr. Klaus Rembrink. „In drei Wochen ab Startdatum stehen die Zweitimpfungen an.“ Diese sollen – so der Plan – dann vormittags erfolgen. Neben den über 80-Jährigen werden auch die sogenannten priorisierten Berufe ab 8. Februar geimpft. Dazu zählen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von mobilen Pflege- und Rettungsdiensten. „Diese müssen allerdings nicht selbst einen Termin vereinbaren, sondern werden von ihrem Arbeitgeber geschickt“, führt Ansgar Stening näher aus.
Die Realität sieht anders aus
In den Impfzentren wird zunächst nur der Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer verabreicht. Das hat logistische Gründe: „Die Zweitimpfung soll bei diesem Hersteller nach drei Wochen erfolgen, bei dem Vakzin von Moderna erst nach vier“, erklärt Mediziner Rembrink. „Mit beiden Stoffen zeitgleich zu impfen, würde die Planung somit erschweren.“ Zukünftig soll sich das ändern. „Einen Impfstoff aussuchen können sich die Patienten allerdings nicht.“
Rund 800 Menschen am Tag könnten anfangs im Impfzentrum geimpft werden. „Wenn es mal läuft, könnten es bis zu 1.000 werden“, schätzt Dr. Klaus Rembrink. „Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab.“ So könnten jüngere Menschen schneller die Prozedur durchlaufen als ältere, die auf den Rollator angewiesen sind und mit einer Begleitperson kommen. Wieviel Impfstoff zur Verfügung steht, ist ebenfalls entscheidend. Auch Ansgar Stening hält diese Schätzung für realistisch. „Nach unseren Planungen könnten wir sogar bis zu 1.400 Menschen am Tag impfen“, erklärt der technische Leiter. Die Realität sind jedoch anders aus: So sind laut Stadt im Februar insgesamt 2.830 Termine verfügbar – diese sind auch bereits vergeben.
Verzahnung mit Rettungsdienstes entscheidend
Pro Impfstraße arbeiten im Impfzentrum eine Ärztin oder ein Arzt sowie eine sogenannte Medizinische Fachangestellte (MFA) – also eine Arzthelferin oder ein Arzthelfer. Hinzukommen die ärztliche Leitung sowie eine Springer-MFA, die bereitsteht, wenn eine Hauptkraft mal ausfällt. „Die KVWL hat im Vorfeld Personal rekrutiert“, erklärt Rembrink. „Bis jetzt wurden rund 25.000 Menschen angestellt – etwa ein Drittel Ärzte und zwei Drittel MFA.“ Darunter niedergelassene Ärzte oder Mediziner aus der Region, die jüngst in Ruhestand gegangen sind.
Ferner stellen die Stadt, das Deutsche Rote Kreuz (DRK) und die Johanniter Unfall-Hilfe (JUH) Personal. „Anfangs werden es circa 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein, im Vollbetrieb rund 50“, führt Ansgar Stening näher aus. Gerade die Verzahnung mit den Rettungsdiensten sei entscheidend. „Sollte ein Impfling einen anaphylaktischen Schock – also eine schwere allergische Reaktion – erleiden, können wir ihn umgehend versorgen und in ein Krankenhaus bringen.“
Absage an dezentrale Impfstellen
Sowohl Stening als auch Rembrink erteilen dezentralen Impfstellen, wie sie derzeit vermehrt gefordert werden, eine Absage. „Das Vakzin ist zu instabil, um beispielsweise bei Hausärzten verimpft zu werden“, erklärt Dr. Klaus Rembrink. Außerdem sei die Handhabung sehr kompliziert. „Um den Impfstoff aus einer Ampulle – der sogenannten Veil – zuzubereiten, sind 13 verschiedene Nadeln und sieben unterschiedliche Spritzen nötig“, erläutert Ansgar Stening. Einmal in der Spritze, muss der Impfstoff zudem binnen einer Stunde verabreicht werden. Deshalb fallen auch über 80-Jährige, die weder zum Impfzentrum kommen können noch im Pflegeheim wohnen, durch das Raster. „Diese können derzeit nicht versorgt werden“, stellt Rembrink klar. „Aber wenn die Pflegekräfte, die sich um diese Menschen kümmern, geimpft sind, haben wir schon ganz viel gewonnen.“ Der Impfstoff von Astra-Zeneca könnte hier Abhilfe schaffen.
Die optimale Lösung wäre für den Mediziner, wenn Hausärzte die Impfungen übernehmen würden. „Dann könnten wir in kürzerer Zeit eine viel höhere Impfquote erzielen“, sagt Rembrink. „Zwischen Oktober und Dezember haben wir rund 15 Millionen Grippeschutz-Impfungen gemacht – das hat keiner mitbekommen.“ Das aber setzte voraus, dass die Hausärzte den Impfstoff in ihrer Praxis lagern oder kurzfristig über Apotheken beziehen könnten. „Aktuell ist der Aufwand noch zu hoch.“ Der Mediziner rechnet allerdings damit, dass die Hersteller bereits daran forschen, den Impfstoff unempfindlicher zu machen und die Handhabung einfacher zu gestalten. „In diesem Jahr wird das jedoch noch nichts werden“, prognostiziert Rembrink.
„Das werden wir nicht schaffen“
Er hält die Impfung für relativ unkritisch. „Allerdings sind Menschen, die hoch allergisch reagieren und zum Beispiel einen Adrenalin-Pen mit sich führen müssen, von der Impfung ausgeschlossen.“ Solche Kontraindikationen, wie sie die Medizin nennt, würden im Impfzentrum beim Aufklärungsgespräch mit einem Arzt abgeklärt.
Das Ziel der Bundes- und Landespolitik, bis in den Sommer hinein 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung zu impfen, hält Rembrink für unrealistisch: „Das werden wir nicht schaffen – nicht unter den gegebenen Umständen.“ Anders sehe es aus, wenn einer neuer Impfstoff auf den Markt käme, der einfacher zu handhaben sei – oder die bereits zugelassenen stabiler würden. Seiner Meinung nach könnte bis August ein Großteil der über 50-Jährigen geimpft sein.
Schutzmasken gehören weiterhin zum Alltag
Er rechnet damit, dass die Schutzmasken noch einige Zeit zum Alltag gehören. „Wir wissen bisher, dass die Impfung davor schützt, an Covid-19 zu erkranken“, erklärt der Mediziner. „Völlig unklar ist noch, ob Geimpfte andere anstecken können.“ Das sei jedoch dafür entscheidend, wie der nächste Winter werde.