Nach dem Peters-Beben: Wird das neue Schalke das bessere Schalke?
[vc_row][vc_column][us_image image=“923″ size=“us_1600_900_crop“][vc_column_text css=“%7B%22default%22%3A%7B%22padding-top%22%3A%2210px%22%7D%7D“]Schalkes Marketing- und Kommunikationsvorstand Alexander Jobst: Vor lauter Hang zur Tradition nicht den Anschluss an die Zukunft verpassen. -Foto: NBM[/vc_column_text][us_post_title tag=“h1″ css=“%7B%22default%22%3A%7B%22font-family%22%3A%22h1%22%2C%22margin-bottom%22%3A%220%22%2C%22padding-top%22%3A%221rem%22%7D%7D“][vc_column_text]
Offizielle Pressemitteilungen, das liegt in der Natur der Sache, kommen meistens recht schmucklos und dafür eher nüchtern daher – gerade wenn es um Personalien geht. Ein falsches Wort könnte am Ende juristische Schritte nach sich ziehen. Und so endet auch die immerhin 27-jährige Tätigkeit von Peter Peters beim FC Schalke 04 mit den üblichen beidseitigen Danksagungen. Eine Formulierung lässt aber – wenn man will – durchaus, wahrscheinlich völlig unbeabsichtigt, Interpretations-Spielraum.
„Ohne Peter Peters, verabschiedet Aufsichtsratschef Clemens Tönnies den Schalker Finanzchef, „wäre der Verein nicht der, der er heute ist“ – das ist zweifellos so, schließlich war Peters, der Ende Juni aufhören wird, seit fast drei Jahrzehnten in der Schalker Chefetage tätig, zunächst als Geschäftsführer, dann als Finanzvorstand. Die dazu gehörige Frage, die sich derzeit viele Beobachter stellen, lautet aber: Was ist Schalke denn heute? Und wo will der Verein eigentlich hin?
Aktuelle Bestandsaufnahme bitter
Die aktuelle Bestandsaufnahme, die Peters natürlich auch mit zu verantworten hat, ist eher bitter: Sportlich geistert der Klub nur noch durch die Bundesliga, finanziell hat die Corona-Krise enorme Probleme offenbart – Schalke musste sich sogar öffentlich wieder mit hässlichen Vokabeln wie „Insolvenz“, „Pleite-Klub“ und „Ruin“ auseinandersetzen.
Diese Zeiten schien Schalke längst hinter sich gelassen zu haben – und das ist auch Peters’ Verdienst. 1993 von Rudi Assauer vom 1. FC Kaiserslautern als Geschäftsführer nach Schalke geholt, brachte Peters kaufmännische Struktur in einen Verein, der bis dahin immer ein wenig mit dem Ruf des „Chaos-Klubs“ konfrontiert wurde und damit auch stets augenzwinkernd kokettiert hatte. Assauer und Peters räumten auf, machten sich dabei nicht nur Freunde.
Erfolgreiche Zeit von Peters
Aber der Erfolg sprach für die neue Schalker Führungs-Riege: 1993 wurde die fast schon verlorene Lizenz in letzter Sekunde gerettet, danach ging es, Rückschläge inklusive, kontinuierlich bergauf: Ein weiterer Meilenstein war 1997 der UEFA-Cup-Sieg, mit der im Prinzip selbst finanzierten Arena, eröffnet 2001, setzten sich die Königsblauen ihr eigenes Denkmal, seit Anfang der 2000er Jahre ist Schalke einer der häufigsten deutschen Gäste auf der großen europäischen Fußball-Bühne. Finanziell wähnte man die Königsblauen in trockenen Tüchern. Schließlich war dafür ja noch der Mann verantwortlich, der Schalke durch weit schlechtere Zeiten mitgesteuert hatte: Peter Peters.
Aber auch auf Schalke sind die Uhren nicht stehengeblieben – Corona hat eine Entwicklung beschleunigt, die den Traditionsverein intern schon seit längerem beschäftigt. Dass mit dem langjährigen Mediendirektor Thomas Spiegel und nun Peter Peters mitten im Corona-Sturm zwei fast schon „ewige“ Schalker, die insgesamt ca. 50 Jahre bei dem Klub hinter sich haben, aus Leitungs-Positionen ausscheiden, spricht Bände.
Sehnsucht nach Aufbruch
Sportlich läuft es nicht, wirtschaftlich hängt Schalke in den Seilen – das schreit geradezu nach Aufbruch, nach Befreiung. Oder nach einem Zeitenwechsel: Für den steht stellvertretend Marketing-Vorstand Alexander Jobst.
Während Peters, der nach Schalker Heimspielen einen festen Platz im La-Ola-Klub der Arena hat und dort gern bodenständig mit S04-Fans bei einem oder mehreren Bierchen die Partie Revue passieren lässt, in schwierigen Zeiten oft zurecht und gern darauf verweist, dass man nie vergessen dürfe, wo man herkomme und dass Schalke auch schon viel Schlimmeres durchgemacht habe, denkt Jobst größer, globaler.
Schalke global positionieren
Der 46-Jährige ist zwar auch bereits seit 2011 im Verein, repräsentiert aber dennoch das „neue“ Schalke. Drohende Lizenzentzüge oder die Zeiten als Chaos-Klub kennt Jobst nur aus Erzählungen. Falsche Sentimentalitäten sind dem angestrebten Wachstum oft nicht förderlich. Jobst hat bei Real Madrid und bei der FIFA gearbeitet, er ist der erste Schalker Marketing-Chef mit Vorstandssitz.
Seinem Job-Profil entsprechend will Jobst Schalke positionieren – Deutschland und Europa sind da nicht mehr groß genug. Um auch auf dem asiatischen und amerikanischen Markt beachtet zu werden, organsierte Jobst für Schalkes Profis PR-Reisen nach China und Florida. Diese sportlich meist sinnfreien Touren finden nicht immer die Zustimmung der jeweiligen Trainer, hinter vorgehaltener Hand wurde auch schon darüber gelästert, dass sie die sportliche Entwicklung gebremst hätten.
Jobst‘ gutes Verhältnis zu Tönnies
Öffentlich wird sich mit einer solchen Kritik kaum jemand aus der Deckung wagen. Auch weil Jobst ein exzellentes Verhältnis zu Clemens Tönnies pflegt. Der Fleisch-Fabrikant, nach eigener Aussage „oberster Fan“ des FC Schalke 04, fremdelt ohnehin ein wenig damit, wenn hochbezahlte Profis über zu große Belastungen stöhnen – in seiner Branche wird schließlich alleine schon von Berufs wegen auch nicht mit dem feinen Florett gefochten.
Jobst darf Tönnies sogar auf der großen Bühne widersprechen. Als der Klub-Chef nach einer verpassten Europapokal-Teilnahme bei der Mitgliederversammlung von einem „Betriebsunfall“ sprach, mahnte Jobst kurz danach an, das Ganze sei eher ein strukturelles Problem. Jobst ist ein energischer Kämpfer dafür, dass der Verein aus lauter Liebe zur Tradition nicht den Anschluss an die Zukunft verpasst.
Aus viagogo-Deal gelernt
Dabei hat Schalkes Marketing-Chef, der seit dem Weggang von Christian Heidel auch das nicht zu unterschätzende Amt des Kommunikations-Vorstands innehat, seine Lektion gelernt: 2013 musste er den bereits geschlossenen Vertrag mit der bei den Fans höchst umstrittenen Ticketbörse viagogo wieder kündigen – bei der Mitgliederversammlung hatte die Schalker Vereinsfamilie deutlich gemacht, was sie von diesem Deal hielt.
Dem Fortschritts-Bestreben von Jobst hat das allerdings keinen Abbruch getan. Dass er eine Esports-Abteilung ins Leben rief und in den Schalker Vereinsstrukturen verankert hat, nahm die Mehrheit der Schalker Anhänger dann auch eher achselzuckend zur Kenntnis, schließlich ließ sich ja sogar ein auch traditionsbewusster Königsblauer wie Clemens Tönnies davon überzeugen: „Weil der Alex mir erklärt hat, dass man damit richtig Geld verdienen kann“.
S04 unabhängiger machen
Genau darum geht es „dem Alex“ übrigens: Schalke finanziell unabhängiger davon zu machen, ob ein Stürmer samstags das Tor trifft oder nicht. Auf Vorträgen referiert Jobst gerne über das Verhältnis zwischen dem sportlichen Erfolg und dem wirtschaftlichen Zustand des Vereins. Seine Aufgabe ist es, Geldquellen zu erschließen, Schalke zu vermarkten – das war ihm sogar mal einen Appell bei einer Jahreshauptversammlung in Richtung Manager Heidel wert: „Lieber Christian, etwas sportlicher Erfolg würde uns zumindest nicht schaden…“
Dass gerade Jobst die aktuelle Schalker Entwicklung ein Graus ist, liegt auf der Hand. Weil der Spielbetrieb in allen Ligen ruht, schaut quasi die ganze Welt Fußball-Deutschland zu. Und ausgerechnet jetzt ist Schalke nur noch Punktelieferant selbst für Kellerkinder – von der wirtschaftlichen Situation mal ganz abgesehen. Jobst fürchtet mindestens einen Entwicklungs-Stillstand, er gilt als Befürworter der Ausgliederung und wird intern als „Drahtzieher“ bei der Personalie Thomas Spiegel genannt, während bei Peter Peters vor allem auch für den Aufsichtsrat das Desaster um die Rückerstattungen für Dauerkarten-Inhaber eine willkommene Gelegenheit gewesen sein soll, dem Finanzchef den Wunsch nach Vertragsauflösung nahezulegen.
Aktuell der starke Mann
Peters geht Ende Juni nach 27 Jahren, Sportvorstand Jochen Schneider ist erst ein Jahr da – aktuell ist neben Clemens Tönnies, der als Aufsichtsrats-Chef mit dem Tagesgeschäft allerdings nichts zu tun haben soll, Alexander Jobst der starke Mann auf Schalke. Unumstritten ist er allerdings auch nicht: Dass ausgerechnet der Kumpel- und Malocher-Klub seine Angestellten mit „Director“-Positionen überflutet und einen vornehmlich englischen Sprach-Stil pflegt, soll auf Initiative des weltmännnisch denkenden Jobst geschehen sein – und befremdet viele, für die Schalke nicht nur aus folkloristischen und marketing-technischen Gründen nach wie vor der Knappen-Klub ist.
So etwas kann einem irgendwann auch mal vor die Füße fallen. Denn ob das neue Schalke auch das bessere Schalke ist, muss die Zukunft erst beweisen. Wenn nicht, ist irgendwann die nächste Pressemitteilung fällig. Schmucklos, wie immer.
Norbert Neubaum
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