Rathausturm bietet Blick auf Buer von oben

Rathausturm bietet Blick auf Buer von oben

Mit der Besichtigung des Rathausturms bietet der Verein für Orts- und Heimatkunde neue Perspektiven auf die Stadt.
Mit der Besichtigung des Rathausturms bietet der Verein für Orts- und Heimatkunde neue Perspektiven auf die Stadt.

Mit der Besichtigung des Rathausturms bietet der Verein für Orts- und Heimatkunde neue Perspektiven auf die Stadt; BILD: JANA THEUS

Der freundliche Rentner in seiner leuchtend roten Jacke fällt sofort auf im lichtdurchfluteten Rathaus-Foyer. Und er kommt nach der knappgehaltenen Begrüßung auch ohne Umschweife zur Sache. Schließlich gibt es viel zu entdecken. Kaum einer weiß das so gut wie er.
Es ist eine gut gepflegte Tradition des Vereins für Orts- und Heimatkunde, im Frühjahr und im Sommer öffentliche Besichtigungen des historischen Rathausturms anzubieten. Ein Team von ehrenamtlichen Führern macht dies möglich. Bernhard Hagemann ist einer von ihnen. Und er verspricht, dass sich der Aufstieg lohnen wird – so beschwerlich er vielleicht auch sein mag.

161 Stufen bis nach oben

Hagemann holt einen etwas abgegriffenen grau-beigefarbenen Ordner aus seinem Jutebeutel und hat sogleich Infozettel mit den wichtigsten Daten für alle parat und erzählt dazu, wann das Rathaus, samt Turm, erbaut (Baubeginn: Juni 1910) und seiner Bestimmung übergeben (September 1912) wurde.
Dann geht es los. Nach oben. Zunächst zum Aufzug. „Wir gehen gleich genug Treppen“, sagt der Rentner. Der Aufzug stoppt in der dritten Etage des Altbaus. Ein langer Korridor mit Türen rechts und Fenstern links folgt. Es wirkt fast wie in einem ein Gefängnis. Alles kahl und trostlos, lediglich die Gitter vor den Fenstern fehlen. Nach kurzem Fußmarsch und den ersten Stufen beginnt hinter einer schweren Tür der eigentliche Aufstieg.
161 Stufen. Bis zur besten Aussicht über Buer in 45,57 Metern Höhe. Bis zur Turmspitze sind es dann noch einmal fast 20 Meter. Im Inneren ist der Blick nach oben begrenzt. Dicke Betonebenen versperren die Sicht auf jedes folgende Stockwerk.

Die Uhren des Rathausturms

Das Treppenhaus ist kalt und verstaubt. Es riecht moderig und feucht, wie in einem Keller. Inmitten der Wände und Stufen aus blankem Beton sorgt nur das rote Geländer, das sich bis nach oben zieht, für den einzigen farbigen Akzent. Auch Bernhard Hagemanns rote Jacke sticht aus dem Grau-in-Grau heraus.
Der Rentner zieht sich am Geländer die Stufen hoch und ist beim Aufstieg ein Orientierungspunkt. Auf einer der vielen Zwischenebenen macht er halt. „Was glauben Sie, wie groß ist der Durchmesser einer Uhr?“, fragt er. Auf jeder Seite des Turms brechen vier große kreisförmige Platten die kahlen Betonwände auf: die Uhren des Rathausturms sind in die Mauer eingesetzt. „Vier Meter“, beantwortet er die selbstgestellte Frage. Für einen Moment betrachtet er die Uhr, zu der er am nächsten steht. An der Rückseite sind die Ziffern per Hand angeschrieben, nur seitenverkehrt: Die drei steht links, die neun steht rechts. Zeiger gibt es auf der Rückseite keine. Dafür aber gelbe Kabel, die die Uhr mit Strom versorgen. Hagemann geht weiter.

Ein gerader Gang ist kaum möglich

Ganz oben, auf der letzten Ebene angekommen, versperrt ein Klumpen aus Spinnennetzen und Staub die Tür nach draußen. Er zieht sich von oben rechts quer rüber bis zum Türgriff. „Für so einen Fall habe ich immer Handschuhe dabei“, sagt Hagemann schmunzelnd und entfernt den Dreck. Die zwei Riegel oben und unten an der Tür lassen sich nur schwer zur Seite schieben. Der Rentner haut mit all seiner Kraft gegen sie, bis sie nach rechts springen und die Tür sich öffnen lässt.
Der Umgang ist schmal, sehr schmal. Besucher müssen ihren Körper seitlich drehen. Ein gerader Gang ist kaum möglich, ohne die weiß abfärbende Wand zu streifen. Die Strahler, die den Turm abends im Schalke-Blau erleuchten lassen, erschweren den Weg zudem. Sie sind auf dem Boden angebracht und müssen mit gezielten Tritten umgangen werden.

Blick auf die Arena von oben

„Sehen Sie da?“ Hagemann deutet mit dem Finger in die Ferne. „Da ist die Arena“, erklärt der Rentner. Der Schalker „Fußballtempel“ ist deutlich zu erkennen. Das weiße Dach, die blauen Applikationen und die typische ovale Form. Die Veltins-Arena sticht aus der Umgebung klar heraus.
Um 16.30 Uhr ist ein leises „Klick“ zu hören. Die blauen Scheinwerfer erleuchten. Von der Straße aus aber werden sie erst bei Sonnenuntergang zu sehen sein. Es folgen laute Glockenschläge. „Ach, die Glocken weiter oben! Die läuten immer zu jeder vollen und halben Stunde“, erklärt Hagemann. Vom Umgang des Turms lassen sich weitere typische Wahrzeichen der Stadt erkennen. Im Nordwesten steigen dicke, weiße Wolken in den Himmel. Die Industrie ist so nah und doch so fern.
Der sonnige Tag erleichtert und erschwert die Sicht zugleich. Auf der einen Seite ist ein kilometerweiter Blick möglich, auf der anderen hilft nur die schützende Hand über der Stirn, damit die Sonne nicht zu stark blendet. Es ist ein Blick auf Buer von oben und auf ganz Gelsenkirchen und bis zu den Nachbarstädten am Horizont. Beim Blick nach unten lässt sich der rege Feierabendverkehr beobachten. Beim Blick nach vorn zahlreiche Gebäude, die Arena, die Industrie.

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Verwirrung im Treppenhaus

Und die Geschichte Gelsenkirchens zeichnet sich in Form künstlicher Berge in der Ferne ab. „Die Halden sind zur Zeit des Bergbaus entstanden“, erklärt Hagemann für Nicht-Ortskundige. Heute sind sie grün bewachsen. Dass sie nicht natürlich sind, ist dennoch zu erkennen. Die runde, beinahe makellose Form wirkt fast perfekt. „In Gelsenkirchen gibt es keine echten Berge“, sagt Hagemann.
Auf der Nordseite liegt der Buersche Busbahnhof, direkt vor der Haustür des Rathauses. „Und dort sollte eigentlich die Olympia hinkommen“, sagt Hagemann und deutet auf eine leere Grünfläche gegenüber vom Busbahnhof. „Sie ist angeblich beim Umbau des Busbahnhofs 2016 beschädigt worden. Seitdem ist sie irgendwo eingelagert und wurde nicht mehr gesehen“, sagt er. Der Rentner findet das traurig. Er würde die Statue gerne mal wieder sehen.
Bernhard Hagemann kennt sich gut aus. Zu fast jedem erkennbaren Haus kennt er die Geschichte und den Besitzer: von der alten S04-Fankneipe „Käseglocke“ über die Polizei bis hin zu den Gymnasien. Er taucht mit den Teilnehmenden in die Vergangenheit und Gegenwart von Buer ein und betrachtet die Stadt, im wahrsten Sinne des Wortes, mit und durch andere Augen. Buer von oben wirkt anders, als von unten.

Wichtige Details

Nach der Turmumrundung geht es wieder hinab. Alle Treppen wieder runter, durch das verstaubte, kalte Treppenhaus des Turms. Die grauen Betonstufen wirken beim Abstieg deutlich weniger. Die schwere Tür, die den Turm vom Rest des Rathauses trennt, fällt langsam zurück ins Schloss. 161 Stufen sind geschafft, der Turm liegt hinter einem.
Hagemann verzichtet beim weiteren Abstieg auf den Aufzug, also warten weitere 117 Stufen. Vom dritten Obergeschoss im Altbau, geht es runter ins vierte Obergeschoss des Neubaus. „Beim Erweiterungsbau in der 1950er-Jahren wurden die Etagen versetzt zueinander gebaut, was bei neuen Besuchern des Rathauses zu Verwirrungen führen kann“, erklärt Hagemann die Etagen-Situation.
Die Führung endet mit  Hagemanns kenntnisreichen Ausführungen zu den Glasfenstern im Foyer und dann vor dem Rathaus zu weiteren wichtigen Baudetails mit einem letzten Blick von unter auf den Turm. Keine Frage, Berndhard Hagemann könnte wohl noch lange weitererzählen.
Jana Theus
Nächste Termine für den Blick vom Rathausturm:
Mo – Do, 20.-23.Juni 2022, Mo – Mi 16 Uhr, Do 17 und 18 Uhr,