Musiktheater im Revier: Das Kind muss tanzen

Mit drei Jahren beginnt Chiara Rontini zu tanzen. Ihre Leidenschaft führt sie um den halben Globus – bis zum Gelsenkirchener Musiktheater im Revier. Ein Portrait.

Tanzt seit 2019 am Musiktheater im Revier: Chiara Rontini. Foto: André Przybyl

Musiktheater im Revier: Das Kind muss tanzen

Mit drei Jahren beginnt Chiara Rontini zu tanzen. Ihre Leidenschaft führt sie um den halben Globus – bis zum Gelsenkirchener Musiktheater im Revier. Ein Portrait.

Warum sie Tänzerin geworden ist, weiß Chiara Rontini gar nicht so genau. „Wenn mein Vater mir als Kind Schuhe gekauft hat, habe ich damit bereits im Laden getanzt.“ Daraufhin meldet sie ihre Mutter in der Tanzschule an. „Und seitdem habe ich nicht mehr aufgehört zu tanzen.“ Heute tanzt sie noch immer – in ihrer Heimat Italien, am Broadway in New York und seit rund zwei Jahren im Ensemble des Gelsenkirchener Musiktheaters im Revier.

Englisch, Deutsch und Französisch gelernt

„Ich bin in Castel Bolognese geboren und aufgewachsen“, erzählt sie. „Ein kleines Nest mit gerade einmal 10.000 Einwohnern in der Nähe von Bologna.“ Schon als Kind will sie Tänzerin werden. „Deshalb habe ich die Sprachschule besucht, wo ich Englisch, Deutsch und Französisch gelernt habe.“ Ihr ist klar, dass sie viele Sprache beherrschen muss, um sich auf internationalem Parkett verständigen zu können.

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Mit drei Jahren beginnt sie zu tanzen. „Ich war ein sehr lebhaftes Kind“, berichtet Chiara Rontini. „Meiner Mutter habe ich immer gesagt: Mama, ich muss tanzen.“ Sie fängt mit Ballett an, konzentriert sich später auf Jazz, Latin und Hip-Hop. „Doch meine Liebe gilt dem zeitgenössischen Tanz, dem ich mich seit meinem 16. Lebensjahr widme.“

In Florenz vollzieht sie einen Wandel

Nach der Ausbildung in ihrer Heimatstadt zieht es sie mit 19 Jahren nach Florenz. „Dort habe ich mich der Opus Ballet Company angeschlossen.“ In dieser Zeit vollzieht sie einen Wandel. „Als Teenager ging es für mich fortwährend darum, in Form zu bleiben, und ich habe mich ständig gefragt, ob ich gut genug bin“, erzählt sie. „Doch dann habe ich erkannt, was ich wirklich will – und habe angefangen, das Tanzen zu genießen.“ In den Folgejahren tanzt sie in New York, Frankreich und Spanien.

„Ich habe an vielen Wettbewerben teilgenommen und dabei den Choreografen Gustavo Ramírez kennengelernt.“ Der Spanier ermutigt sie dazu, nach Deutschland zu gehen. Nach Stationen in Ulm und Trier landet sie 2019 in Gelsenkirchen. „Der erste Eindruck war ein Schock für mich.“ Sie reißt die Augen auf. Ulm, Trier – „und dann Gelsenkirchen“. Sie schüttelt den Kopf. Doch mittlerweile fühlt sie sich wohl. „Die Arbeit im Musiktheater ist mit keinem Ort zu vergleichen, an dem ich zuvor gearbeitet habe“, berichtet sie. „Ich fühle mich hier Zuhause.“

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Nach erstem Schock fühlt sie sich Zuhause

Wenn sie tanze, könne sie ganz sie selbst sein. „In den Bewegungen kann ich meine Emotionen ausdrücken – dann lebe ich voll und ganz in diesem Moment.“ Tanzen spricht für sie sowohl Hirn als auch Herz an. „Das liebe ich.“ Für ihre Liebe muss sie hart arbeiten. „Es sind nicht nur die Proben allein“, erzählt sie. „Ich gehe auch fünfmal in der Woche ins Fitnessstudio, um in Form zu bleiben – das sagt dir keiner, das wird vorausgesetzt.“

Die Konkurrenz in der Branche ist hart. „Zu einem Vortanzen kommen 300 Tänzerinnen und Tänzer.“ Doch sie liebt den Wettkampf. „Und untereinander verstehen wir uns gut, wir sind eine große Familie.“ Sie urteilt nicht über andere. „Jeder ist verschieden“, sagt sie. „Ich finde, dass dir keiner sagen kann, ob du gut bist oder nicht.“

Nicht zurück nach Italien

Zurück nach Italien möchte sie nicht. „Dort interessiert sich niemand für zeitgenössischen Tanz“, berichtet Chiara Rontini. „In Italien sitzen die Menschen lieber vor dem Fernseher, in Deutschland dagegen gehen sie ins Theater – dafür liebe ich die Bundesrepublik.“

In Laufe ihrer Karriere möchte sie mit möglichst vielen Choreografen zusammenarbeiten. „Vielleicht werde ich eines Tages nach Skandinavien gehen und dort in einem der großen Tanzensembles wie dem in Göteborg tanzen“, erzählt sie. „Mal sehen.“ Und so tanzt Chiara Rontini weiter.

André Przybyl